In speziellen Gesprächsrunden wenden Ukrainerinnen ganz entspannt ihre Sprachkenntnisse an. Die Idee zum Erfolgskonzept ist dank eines Fahrrads geboren.

Samstagnachmittag im Bürgertreff: Es wird geplaudert und gelacht, im Raum herrscht eine heitere Stimmung. Acht ukrainische Frauen sind gekommen, um mit acht Deutsch sprechenden Weil der Städtern ihre bereits erworbenen Sprachkenntnisse auszuprobieren, zu üben und zu vertiefen. Die ukrainisch-deutsche Gesprächsrunde wird von Isolde Jäkle koordiniert. Die pensionierte Englischlehrerin hat selbst schon Deutschkurse für Migranten gegeben. Das gilt auch für Marianne Maier, die als Lehrerin viele Jahre Geflüchteten in Integrationskursen und Vorbereitungsklassen Sprachkenntnisse vermittelt hat. Mit weiteren Engagierten aus dem Umfeld des Arbeitskreises Asyl stehen sie nun zu zehnt den Ukrainerinnen als Gesprächspartner zur Seite.

 

„Letztes Frühjahr haben wir Liudmyla Vitenko kennengelernt, als sie im Merklinger Repair Café ein Fahrrad bekommen hat“, erzählt Isolde Jäkle von ihrer Begegnung mit der 47-jährigen Grundschullehrerin aus der Zentralukraine. Wie zahlreiche andere Frauen war auch sie nach Kriegsausbruch zusammen mit ihrem 13-jährigen Sohn nach Deutschland gekommen, während ihr 21-jähriger Sohn in der Ukraine blieb. „Wir haben uns dann immer wieder mal getroffen, um miteinander Deutsch zu reden“, erzählt Isolde Jäkle. Viele Ukrainerinnen besuchen Intensivsprachkurse, um das B 1-Level zu erreichen, für das sie eine Prüfung machen müssen. Dieses B1-Level sei für vieles ein Mindeststandard, mit dem man sich sprachlich zurechtfinden könne, erklärt Marianne Maier. „Im Sprachkurs bekommen wir viele Informationen“, meint Liudmyla Vitenko, „aber wir haben nicht so viel Zeit zum Sprechen.“ So kam den Frauen die Idee für eine Gesprächsrunde, bei der quasi im Eins-zu-Eins-Format einige Stunden lang nur geredet wird.

Herausforderung: zu schreiben

Und davon machen die Ukrainerinnen rege Gebrauch. Sie haben spürbar Freude daran, im geschützten Rahmen dieser Gesprächsrunde ihre Deutschkenntnisse anzuwenden und auszuprobieren, sie suchen nach den passenden Wörtern und der richtigen Grammatik. Die deutschsprachigen Partner, wie etwa das Ehepaar Hildegard und Wolfgang Beier, stellen Fragen, korrigieren sanft und lassen den Frauen vor allem Zeit zum Überlegen und zum Reden. Neue Wörter werden gleich aufgeschrieben. „Schreiben ist schwierig“, sagt Oksana, „auch weil man Buchstaben schreiben muss, die man nicht hört, etwa das h oder dann die Umlaute“, stöhnt sie, doch sie lacht dabei. Die ukrainischen Frauen, von denen laut Isolde Jäkle viele eine gute Ausbildung oder ein Studium aus ihrer Heimat mitbringen, beherrschen nach einem starken halben Jahr im Sprachkurs Deutsch schon erstaunlich gut.

Isolde Jäkle und Liudmyla Vitenko wählen für die Treffen Themen aus, auf die sich die Ukrainerinnen dann vorbereiten können. Damit sollen schon einmal Teile der mündlichen Prüfung für das B 1-Level geübt werden. So haben sie etwa ein „Speed-Dating“ mit gegenseitigem Vorstellen oder ein Quiz über Deutschland und die Ukraine, über Feste und Gebräuche in beiden Ländern sowie Bildbeschreibungen gemacht.

Fahrrad ist weiter im Einsatz

Fanden die ersten Treffen noch in einem öffentlichen Café statt, was wegen der ständigen Unruhe sehr ungünstig gewesen sei, so Isolde Jäkle, so können sie jetzt den Bürgertreff im Linde-Areal nutzen. „Dafür sind wir sehr dankbar“, sagt sie. Die Räume seien ideal dafür. Liudmyla Vitenko hat das Fahrrad aus dem Repair Café übrigens immer noch. Die begeisterte Radlerin fährt damit von Weil der Stadt zur Schule nach Merklingen, wo sie inzwischen Kinder mit wenig Deutschkenntnissen in einer Vorbereitungsklasse unterrichtet.