Im Ulmer Münster fehlen künftig die Heiligen drei Könige. Die schwarzen Figuren wirkten klar rassistisch, heißt es. Via Internet läuft eine erregte Debatte.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Nur ein paar Tage ist es her, dass die Traditionalisten in Ulm die Mohrengasse in der Altstadt vor den Tilgungsplänen der SPD-Gemeinderatsfraktion gerettet haben. Der Straßenname sei rassistisch konnotiert, lautete ein Antrag auf Abschraubung der Blechschilder. Nach aufgeregter öffentlicher Debatte dürfen sie nun hängen bleiben, allerdings ergänzt um erklärende Zusatzschilder zur Etymologie der örtlichen Begriffswahl.

 

Als der fürs Ulmer Münster zuständige evangelische Kirchengemeinderat Ende September zu einer turnusgemäßen Sitzung zusammentrat, war die Mohrengassen-Debatte gerade in voller Fahrt. Der Dekan Ernst-Wilhelm Gohl kann sich nicht mehr ganz genau erinnern, wer das Thema im Gremium zuerst aufbrachte, aber es fiel der Entschluss, sich die Figuren der Weihnachtskrippe vor aktuellem Hintergrund nochmals genauer anzuschauen. Aus den Kisten zur Einlagerung wurde gehoben: ein schwarzer König, unproportional verrenkt, mit flacher Stirn, platter Nase und wulstigen Lippen. Dazu, aus seinem Gefolge, ein schwarzer Junge, blöd guckend, mit einem Affen auf der Schulter sowie ein schwarzer Schleppenträger, der einer anderen weißen Figur aus dem Holzensemble zu Diensten steht. Die rund 40 Zentimeter hohen Figuren, sagt Gohl, bedienten „rassistische Stereotype“.

Die Empörungsdebatte rollt

Seit der einstimmig gefasste Kirchenratsbeschluss publik wurde, baut sich in Ulm nun die nächste Debatte zur Frage auf, ob eine Tradition vor dem Betrachtungswandel der Moderne weichen muss. Ja, sagt Gohl, in diesem Fall schon. Es gehe ihm und dem Kirchengemeinderat nicht um eine Ächtung dunkelhäutiger Krippenfiguren im Allgemeinen. „Selbstverständlich gehört in der kirchlichen Tradition ein schwarzer König an die Krippe. Dieser Punkt war nie strittig.“ Doch die Ulmer Figuren verströmten den Ungeist der Nach-Kolonialzeit, in der sie entstanden seien. Alle im Rat seien überzeugt gewesen: „Wenn wir die Figuren einfach aufstellen, haben wir die Diskussion mitten in der Weihnachtszeit.“

Jetzt ist sie also vorher da, und in einer Deftigkeit, die der Dekan so dann doch nicht erwartet hätte. „Es ist ein großer Shitstorm, der über uns zieht, vor allem über soziale Medien“, sagt er. In Mails sei ihm unter anderem beschieden worden: „Sie sind absolut das Letzte.“ Ein Facebook-Schreiber teilt Gohl mokant mit, er habe „mal ziemlich in einem rechten Wespennest rumgestochert“ und wünscht „gute Nerven und eine dicke Haut“.

Ein Ersatzkönig kommt nicht in Frage

Zustimmende Kommentare gibt es im Netz allerdings auch. „Danke für die klare Haltung“, schreibt da einer. In Lokalmedien hat sich ein Sprecher der afrikanisch-deuschen Community hinter den Krippenbeschluss gestellt, begrüßt die Entfernung der Holz-Grotesken.

Auch an guten Ratschlägen fehlt es nicht. So sei ihm vorgeschlagen worden, berichtet der Dekan, rasch eine schöne neue schwarze Königsfigur schnitzen zu lassen. Das wird allerdings nicht passieren. Denn das gesamte Krippenensemble erschuf in den 20er-Jahren der expressionistische Bildhauer und Holzschnitzer Martin Scheible. In dessen Werk dürfe auf solche Weise nicht eingegriffen werden, sagt Gohl. Gegenüber Anrufern und Briefeschreibern, die ihn jetzt attackieren, erinnert er daran, dass die gesamte Krippe erst seit dem Jahr 1992 mit Beginn jeder Adventszeit im Münster steht. Gespendet wurde sie damals von einer Ulmer Familie. Zunächst fand sie Platz auf dem Kreuzaltar, später in einer Vitrine im Südschiff unter dem Friedensfenster von Thomas Kuzio. Es gebe Traditionen im und ums Münster, merkt Gohl an, die zweifellos bedeutender seien.

Nur noch Maria, Josef und das Jesuskind

Nur noch zwei der Heiligen drei Könige zu zeigen, das lehnt der Kirchengemeinderat ebenfalls ab. Zu dessen Beschluss gehört, die Könige jetzt ganz wegzulassen. Gohl sagt: „Wir stellen nach dem Bericht des Lukas-Evangeliums auf. Dazu gehören Maria, Josef und das Jesuskind.“

Und falls der Ärger sich doch fortträgt bis in die besinnliche Zeit? Gohl will standhaft bleiben. Auch in seiner Diakoniestation werde immer wieder Pflegepersonal mit schwarzer Hautfarbe von Patienten und Angehörigen abgelehnt. Niemals werde er dem nachgeben: „Evangelium und Rassismus sind unvereinbar.“