Daimler-Konzernchef Dieter Zetsche sucht den Konsens mit dem Betriebsrat. Der weiß das zu nutzen, kommentiert StZ-Autor Michael Heller.

Stuttgart - Der Daimler-Betriebsrat nutzt die Gunst der Stunde. Ausgerechnet in einer Phase, in der die Automobilindustrie vor dem womöglich größten Umbruch in ihrer Geschichte steht, lässt sich der Vorstand darauf ein, bis Ende 2029 auf Entlassungen zu verzichten. Grund dafür ist keineswegs überbordender Optimismus. Vorstandschef Dieter Zetsche will vielmehr auf keinen Fall sein Projekt gefährden, den Konzern in eine Holding mit unabhängig voneinander agierenden Töchtern umzubauen.

 

Zum bevorstehenden Wandel in der Branche hat sich Zetsche bisher eher hart geäußert, sprach zum Beispiel davon, die Beschäftigung rund um den Verbrennungsmotor so schnell wie möglich zurückzufahren. Das klingt nun nach Sinneswandel – muss es aber nicht sein. Denn mit der Unterschrift unter die Beschäftigungssicherung verzichtet das Management lediglich auf das Mittel der Entlassung. Ein Personalabbau mithilfe von Abfindungen ist gleichwohl möglich.

Der Betriebsrat sichert sich einen größeren Einfluss

Trotzdem hat der Betriebsrat einen bemerkenswerten Erfolg errungen, denn das Unternehmen bekennt sich auch erstmals dazu, die Beschäftigten bei der anstehenden Transformation mitzunehmen, ihnen gegebenenfalls neue Jobs anzubieten und sie dafür zu schulen. Zudem ist es den Arbeitnehmervertretern gelungen, bei Investitionsentscheidungen ein Mitspracherecht aushandeln: Selber machen oder bei einem Zulieferer einkaufen? Auch ohne formales Mitbestimmungsrecht verschiebt das die Gewichte zugunsten des Betriebsrats – der im Zusammenhang mit dem Streit über die Elektromobilität im Werk Untertürkheim gezeigt hat, dass er kämpfen und die Mitarbeiter mobilisieren kann.

Konzernchef Zetsche zahlt also durchaus einen hohen Preis, wenn er jetzt beim Umbau auf Konsens um jeden Preis setzt. Intern war schon zu hören, dass er auf jeden Fall einen Aufsichtsratsbeschluss ohne Gegenstimme will. Wirklich überzeugende Argumente für den Umbau hat der Mann an der Spitze bisher nicht geliefert. Das mag an der ein oder anderen Stelle im Konzern Verunsicherung auslösen, dominiert aber nicht die Stimmung in der Belegschaft. Vorherrschend ist die Erleichterung darüber, dass man den Strukturwandel nicht gänzlich ohne Schutz angehen muss.