Am Samstag verabschieden sich die Wagenhallen mit Live-Musik in die Umbaupause. Und auch wenn der Keller Klub gerettet werden konnte und das Wizemann sehr gut angenommen wird, wünschen sich Stuttgarts Veranstalter eine weitere Spielstätte.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Am Samstag dürften Stefan Mellmann und Thorsten Gutbrod die eine oder andere Träne verdrücken. Die beiden Macher des Veranstaltungsbetriebs in den Wagenhallen bitten zum vorerst letzten Mal zum Tanz, ehe die Halle grundlegend saniert wird. Ab 20 Uhr spielen am Nordbahnhof zig Bands auf drei verschiedenen Bühnen, beim Light & Sound Festival treten unter anderem Putte & Edgar auf. Bis mindestens Januar 2018 wird es das letzte Mal sein, dass hier Konzertbesucher auf ihre Kosten kommen.

 

Für den ohnehin nicht gerade verwöhnten Popkonzertstandort Stuttgart fällt also zumindest temporäre eine weitere Bühne weg. Mellmann und Gutbrod hatten in diesem Jahr wegen der „Reduzierung ihrer Programmstunden“ bereits weniger Konzerte veranstalten können, als in den Jahren zuvor. 2016 durften in den Wagenhallen keine Auftritte stattfinden, wenn gleichzeitig die Künstler vom Kunstverein Wagenhalle in der Halle zugegen waren. Trotz Reduzierung der Quantität litt die Qualität darunter nicht: Die Techno-Oper-Farce Fraktus, der Auftritt von „DieHöchste Eisenbahn“ und andere Konzerte sorgten für eine gute Besucherresonanz.

Der Keller Klub konnte als Konzertspielstätte gerettet werden

Mit Blick auf das neue Jahr ist Stefan Mellmann vor allem froh, dass kürzlich die Rettung des Keller Klubs am Rotebühlplatz verkündet wurde. Die Macher hatten wie berichtet vor einigen Wochen Insolvenz anmelden müssen. Mihael Ivankovic steigt jetzt als Betreiber mit ein. Ivankovic ist in der Szene kein Unbekannter, zeichnet er doch schon lange verantwortlich für den Club Finca in Stuttgart, den Club27 in Tübingen, das Café Monroe’s und das Partymagazin Subculture. Damit kann Mellmann als Veranstalter den Keller Klub als Ausweichspielstätte auch im neuen Jahr für Auftritte von Rainer von Vielen oder Götz Widmann nutzen.

Während am Nordbahnhof der Spielbetrieb also erst einmal ruhen muss, läuft es in der Spielstätte „Im Wizemann“ oberhalb von Bad Cannstatt dagegen rund. In das ehemalige Zapata an der Quellenstraße pilgerten seit dem ersten Auftritt von Gentleman im September 2015 knapp 110 000 Besucher zu 190 Konzerten, dazu hatte der Veranstaltungsort laut Matthias Mettmann noch einmal rund 5000 Gäste bei Industrie-, Messe- und Privatveranstaltungen.

Das Wizemann wünscht sich mehr Unterstützung von der Stadt Stuttgart

Mettmann hätte also allen Grund dazu, glücklich zu sein. „Das sind wir eigentlich auch, allerdings würden wir uns eine stärkere Unterstützung durch die Stadt wünschen“, sagt er. Während die Wagenhallen für über 30 Millionen Euro öffentliche Gelder saniert werden, müssten die Wizemann-Macher von der Firma Chimperator eine Art eigene Kulturquerfinanzierung installieren: „Wir betreiben privatwirtschaftliche Kultursubvention. Durch unser Restaurant Happen und die vielen Firmenveranstaltungen bezuschussen wir intern die Konzerte, sonst müssten wir die Eintrittskarten deutlich teurer machen“, erklärt Mettmann.

Dabei wünscht sich Mettmann gar keine monetäre Unterstützung durch die Stadt: „Da gerät man sehr schnell in eine Abhängigkeit.“ Stattdessen würde sich Mettmann wünschen, dass die Stadt eigene Veranstaltungen ins Wizemann verlegt, zum Beispiel die Kinderstadt Stutengarten im Sommer, wenn Konzertveranstalter Schwierigkeiten haben, eine Halle zu füllen. „Zur Konzert-Primetime im Frühjahr und im Herbst funktioniert das Wizemann super. Eine schlechte Auslastung im Sommer wirkt sich aber sofort negativ aus.“

Die Liederhalle ist noch stärker durch die Klassik belegt als früher

Matthias Mettmann fungiert übrigens nicht nur als Geschäftsführer des Wizemann, sondern veranstaltet als Geschäftsführer von „Chimperator live“ auch an anderer Stelle in Stuttgart. In der Liederhalle stößt er dabei seit kurzem an seine Grenzen: Nachdem das neue Symphonieorchester des SWR, hervorgegangen aus dem Radio Sinfonieorchester Stuttgart des SWR (RSO) und dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg (SO), Stuttgart zum Sitz des Klangkörpers gemacht hat, ist die Liederhalle noch stärker als früher ein Klassikspielort.

Das führt für Popveranstalter zu skurrilen Situationen: Mettmann veranstaltet im neuen Jahr ein Doppelkonzert der Senkrechtstarter von Annenmaykantereit in der Liederhalle. Anstatt beide Termine an zwei aufeinanderfolgenden Abenden organisieren zu können, muss Mettmann am 30. Januar aufbauen, abbauen und mit einem Tag Unterbrechung wegen der Symphoniker am 1. Februar das selbe Spiel durchziehen.

Auch Christian Doll, der Geschäftsführer von C2 Concerts, klagt über die neue Situation in der Liederhalle. „Es sind einfach keine oder fast keine Freitermine verfügbar, egal für welches Thema wir anfragen. Und wenn gar kein Termin verfügbar ist, fliegt Stuttgart eben ganz aus dem Tourkalender.“

Für Doll führt daher kein Weg vorbei an einer weiteren Spielstätte in Stuttgart. „Das Wizemann konnte einen gewissen Teil des Problems auffangen, wir bespielen das Haus auch sehr gerne. Der Laden ist von seiner Ausrichtung her aber nicht für alle Themen gleichermaßen gut geeignet“, so Doll weiter. Der Veranstalter wünscht sich daher einen Neubau und hat dabei ganz konkrete Vorstellungen: „Wir bräuchten eine Kapazität von 1000 bis rund 3000 Besucher. Von der Struktur her wäre eine Mehrzweckhalle besser geignet als ein Kongresszentrum.“ Weihnachten ist bekanntlich die Zeit der Wünsche: Mal sehen, was aus diesem frommen Wunsch wird.