Seit 50 Jahren warten die Bürger in Enzweihingen auf eine Umfahrung der B 10. Bei der Erörterungsverhandlung mit dem Regierungspräsidium prallten die Positionen von Befürwortern und Kritikern erneut aufeinander. An einer Tunnellösung halten letztere weiterhin fest – trotz geringer Aussichten.

Vaihingen - Einen Tag lang haben Befürworter und Gegner ihre Argumente zur Ortsumfahrung B10 Enzweihingen ausgetauscht. Eines der großen Themen war, wie sich das Straßenbauprojekt so nah an der Enz wohl auf Natur, Landschaft und Erholung auswirken wird. Vertreter der Ökoverbände äußerten – wenig verwunderlich – große Bedenken und werteten die geplanten Eingriffe als unangemessen stark. Der Vorsitzende des Landesnaturschutzverbandes Gerhard Bronner hält sogar juristische Schritte für möglich, sollten beim Artenschutz nicht stärkere Akzente gesetzt werden.

 

Er bezeichnete den Plan des Regierungspräsidiums (RP) zum ökologischen Ausgleich als unausgereift. Der Verbleib des in seinem Bestand gefährdeten Großen Feuerfalters sei nur eines mehrerer ungelöster Probleme.

Das Regierungspräsidium plant das Projekt und prüft die Einwände

Es war für das RP Stuttgart keine Diskussions-, sondern eine Pflichtveranstaltung. Ein Erörterungstermin ist Teil der Planfeststellung, an deren Ende das RP die Baugenehmigung erteilt – oder auch nicht. Da es sich bei dieser Umfahrung um eine Bundesstraße handelt, ist das Verkehrsministerium in Berlin der Träger. Die Planung überlässt es dem RP, das im Verfahren somit eine doppelte Funktion hat: Denn es ist zugleich Genehmigungsbehörde. „Das sind aber zwei verschiedene Abteilungen“, stellt die Leiterin des Referats „Recht, Planfeststellung“, Nina Homoth klar.

Die Abteilungsdirektorin gehört der Genehmigungsseite an und moderierte die Veranstaltung, zu der zahlreiche Gutachter sowie vom Projekt betroffene Bürger eingeladen waren. Die „Halle im See“ im Vaihinger Stadtteil Kleinglattbach war gewählt worden, weil sie in der Umgebung von Enzweihingen den meisten Platz für möglichst viele Stühle im Corona-Abstand von 1,5 Metern bot. Obwohl vom RP anders erwartet, sind viele Stühle in der Sporthalle leergeblieben.

Zur Diskussion stand der Plan einer 2,5 Kilometer langen oberirdischen Straße. Kostenpunkt 32 Millionen Euro (Stand 2008). Die einst vom RP und der Stadt favorisierte Tunnellösung ist vom Tisch. Die Planer machten dafür hohe Kosten und höhere gesetzliche Anforderungen an die Sicherheit eines Straßentunnels (75 Millionen Euro) verantwortlich, die sich in diesem Projekt nicht umsetzen ließen. Die Schutzgemeinschaft Mittleres Enztal zeigte mit einem Plakat vor der Halle, dass sie trotz geringer Erfolgsaussichten die Hoffnung nicht aufgeben, den Durchgangsverkehr unter die Erde zu bekommen.

Vaihingens Oberbürgermeister Gerd Maisch sagte: „Auch ich bin froh, dass dieser Termin heute stattfindet. Wir brauchen Klarheit.“ Nicht nur Enzweihingen, sondern weitere Orte wie Unterriexingen oder Hochdorf würden mit der Umgehung entlastet. An die Kritiker gerichtet befand er, dass weitere Einwendungen die Planungen hinauszögerten und die Hoffnung der Bewohner zerstörten, nach 50 Jahren Planung vom Verkehr endlich entlastet zu werden. Die Enzweihinger applaudierten.

Beifall für die Kritiker

Die Bürger, die die Umgehungsstraße als Zerstörung der Landschaft betrachten, gaben ihren Beifall dafür Gerhard Joos, dem Vorsitzenden der Schutzgemeinschaft. Er bezeichnete die Umgehung als „eine Carrerabahn“, die die Erwartungen an eine Entlastung nicht in dem angekündigten Maß erfüllen werde. Für eine sensible Naturlandschaft wie der Enzaue könne es keinen ökologischen Ausgleich geben. Die Planer versprechen den Enzweihingern eine Entlastung beim Laster-Verkehr um bis zu 94 Prozent.

Der Gesamtverkehr, der heute bei etwa 30 000 Fahrzeuge täglich liegt, werde um bis zu 77 Prozent zurückgehen. Die Neubaustrecke hat nach RP-Angaben einen Flächenbedarf von 7,5 Hektar. Rechne man neu geschaffene Ökoflächen dagegen, halte sich der tatsächliche Landschaftsverbrauch mit 2,7 Hektar in Grenzen.

Kritiker zweifelten in der Anhörung die Prognosen zur Verkehrsentwicklung an. Diese fielen deswegen höher aus, um den Neubau von Straßen zu rechtfertigen, so die Vertreter von Nabu und BUND. In diesem Fall sei es eine Rechtfertigung der Umgebung für Enzweihingen. Bei richtiger Interpretation der Daten stelle man fest, dass die Zahlen für die Bundesstraße 10 stagnierten, für den Lkw-Verkehr sogar leicht rückläufig seien. In Wahrheit wolle das Bundesverkehrsministerium mit der Umgehungsstraße das Nadelöhr in Enzweihingen beseitigen, um den Fernverkehr zwischen der Ostalb und der Rheinebene flüssiger zu machen. Ein Redner forderte, die Wahl zwischen Tunnel- und offener Umgehungsstraße um eine Variante zu erweitern – die Ortsdurchfahrt konsequent auf Tempo 30 zu setzen. Auf diesen Vorschlag reagierten die Enzweihinger mit Protestrufen, während die Kritiker Zustimmung bekundeten.

Wie sich an diesem Tag zeigte, geht durch die Vaihinger Bürgerschaft weiter einen Riss.