Die Metall- und Elektroindustrie im Südwesten leidet unter den Folgen der Corona-Krise. Neben einem starken Einbruch bei Aufträgen und Produktion wächst die Kurzarbeit explosionsartig. Die Arbeitgeber fordern Gegenmaßnahmen von Politik und IG Metall. Die Gewerkschaft lehnt die Forderungen von Südwestmetall aber ab.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Corona-Krise zieht die Metall- und Elektroindustrie immer weiter in den Strudel der Rezession. Eine neue Umfrage des Arbeitgeberverbands Südwestmetall unter etwa 300 Mitgliedsunternehmen mit rund 264 000 Beschäftigten zeichnet ein düsteres Bild.

 

Wie ist die Lage der Metallbranche? Gegenüber Anfang April hat sich der Anteil der Firmen, die sich „stark“ und „sehr stark“ von der Krise getroffen sehen, von 43 auf 52 Prozent erhöht. Im Durchschnitt rechnen die Formen mit einem Umsatzminus von 22 Prozent für das Gesamtjahr 2020, wobei mehr als jedes sechste Unternehmen mit einem Minus von über 30 Prozent kalkuliert. Der Anteil der Firmen, die Kurzarbeit nutzen, ist auf mehr als 64 Prozent gestiegen; weitere 17 Prozent planen es. Von insgesamt etwa einer Million Beschäftigten sind derzeit geschätzt gut 450 000 in Kurzarbeit.

Was folgt daraus für die Betriebe? Erst vier Prozent der Betriebe haben schon Kündigungen ausgesprochen – nachdem Zeitarbeit bereits deutlich reduziert wurde. Stellenabbau sei zwar „noch kaum ein Thema“, sagt der Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick. Alarmierend sei jedoch, dass 45 Prozent der Betriebe Kündigungen in den nächsten Monaten nicht mehr ausschließen.

Was soll die Politik jetzt leisten? Dick fordert „ein Maßnahmenpaket, das zu mehr Vertrauen in eine stabilere Wirtschaftsentwicklung beiträgt“. Dazu zählten „schnellstmöglich“ eine klare Ansage für eine umfassende Stimulierung von Konjunktur und Konsum, zudem ein besseres Test- und Tracing-Management zur Nachverfolgung von Neuinfektionen.

Die schrumpfende Liquidität der Betriebe, die nur noch für drei bis vier Monate reiche, sehen die Arbeitgeber mit Sorge – trotz der Sofortprogramme von Bund und Land. Die Politik müsse daher nachlegen. Ferner wird ein langfristiges Belastungsmoratorium (Stillhalten) bei neuen Gesetzen verlangt – etwa den Verzicht auf einen Arbeitnehmeranspruch auf Homeoffice sowie auf „überzogene Regelungen“ bei der Arbeitszeiterfassung.

Wie werden Kaufprämien beurteilt? Südwestmetall schließt sich den Rufen nach einer Kaufprämie an. Der Konjunkturmotor springe nicht von alleine an. Potenzielle Kunden würden darauf spekulieren, dass sie in ein paar Wochen eine Prämie bekommen und den Kauf hinausschieben oder bisherige Abschlüsse stornieren. Nichtplanbarkeit sei „eine der größten Gefahren für die Konjunktur“, so Dick. Auch Verbrenner sollten gefördert werden, denn „es geht nicht um die Rettung der Welt von morgen“. Zu 98 Prozent kämen die Kurzarbeiter aus diesem Bereich. Zugleich treibt die Arbeitgeber die Furcht um, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau oder Hausbanken Kredite eher nach klimapolitischen Gesichtspunkten vergeben. Dick: „Wenn das um sich greift, werden wir ganz schnell viel mehr Arbeitslose haben.“

Was soll die IG Metall tun? Die IG Metall hatte sich im Corona-Tarifabschluss Ende März verpflichtet, über gemeinsame Strategien zur Krisenbewältigung zu reden. In einem Auftaktgespräch zeigte sich, dass die Gewerkschaft eher auf betriebliche Lösungen zielt, während Südwestmetall eine einheitliche Regelung mit betrieblichen Öffnungen anstrebt. „Wenn so viele Betriebe betroffen sind, muss es einen flächentarifvertraglichen Lösungsansatz zur Sicherung der Beschäftigung geben“, so Dick.

Die Arbeitgeber fordern einen Beitrag zur Behebung der betrieblichen Finanznöte. Im Südwesten würden die tariflichen Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld stärker an der Liquidität zehren als im Rest der Republik, da es seit der Krise 2008/2009 weitergehende Zuzahlungen der Firmen gibt, als nun von der Bundesregierung generell ab dem vierten Monat vorgesehen. Selbst für „Kurzarbeit null“ bekommen die Beschäftigten bis zu 97 Prozent des üblichen Monatsnettogehalts.

Auch stellen die Arbeitgeber beim Tariflichen Zusatzgeld den Festbetrag von 400 Euro in Frage. Daneben kämpfen die Betriebe mit Infektionsschutz-Kosten. Dabei geht es auch um geteilte Schichten, um Kontakte zu minimieren. Konkret: Wenn die Arbeit nach zwölf Uhr beginnt und länger als 18 Uhr dauert, ist ein gut 20-prozentiger Lohnzuschlag fällig – auch für Betriebe, die wegen der Ansteckungsrisiken von einer auf zwei Schichten umstellen. Die IG Metall Baden-Württemberg lehnt den von Südwestmetall vorgestellten Forderungskatalog zur Bewältigung der Corona-Krise vehement ab. Bezirksleiter Roman Zitzelsberger: „Die Arbeitgeber wollen die Gunst der Stunde nutzen, um tarifpolitische Errungenschaften zurückzudrehen und die Beschäftigten die Zeche zahlen zu lassen. Dagegen werden wir uns entschieden zur Wehr setzen!“