2024 fiebern viele Türken in Stuttgart mit der deutschen Nationalmannschaft. Aus ihren Stellungnahmen lässt sich auch Kritik am autoritären Regime des Staatspräsidenten Erdogan herauslesen.

Stuttgart - Dass Deutschland Ausrichter der Fußball-Europameisterschaft 2024 wird, betrübt Einwanderer türkischer Herkunft in Stuttgart nicht allzusehr. Allerdings ist zu beobachten, dass sich das Ereignis nicht von Politik trennen lässt und einige der Befragten nicht wollen, dass ihr Name veröffentlicht wird. Die Kunde, dass man Erdogan-Kritiker nun auch über eine Handy-App anzeigen kann, verunsichert sie. „Als Türke hätte ich es mir gewünscht, dass die Europameisterschaft in die Türkei kommt. Aber es ist besser, damit noch gut zehn Jahre lang zu warten, weil bis dahin hoffentlich die Regierung gewechselt hat“, sagt ein Gastronom in der City. Er lebe hier in Deutschland, deshalb sei für ihn jedoch an erster Stelle Deutschland wichtig. So sieht es auch ein Händler, der ebenfalls namentlich nicht genannt werden will: „Ich bin dafür, dass die EM in Deutschland ausgetragen wird, solange der Ruf der Regierung nicht optimal ist.“ Daran, dass die Türkei eine EM ausrichten könnte, hat er keine Zweifel: „Russland hat unter ähnlichen politischen Rahmenbedingungen die Weltmeisterschaft gemeistert. Die Türkei könnte das auch.“

 

„Die Entscheidung für Deutschland ist gut“

Im türkischen Lokal Dilan Kebap in der Eberhardstraße ist die EM in sechs Jahren noch kein Thema. Auf das Ereignis angesprochen, sagt das Wirtsehepaar Elif und Bektas Kirto: „Wir haben uns gewünscht, dass Deutschland den Zuschlag bekommt. Die Türken, die hier leben, sollen für Deutschland sein.“ Zeki Koca, Kellner in einem anderen türkischen Lokal sagt: „Die Entscheidung für Deutschland ist gut. Wenn ein Spiel in Stuttgart wäre, dann würde ich natürlich ins Stadion gehen, denn ich wohne in der Nähe. Leider wird mir aber mein Beruf wenig Zeit lassen, die Spiele zu verfolgen.“ Im Moment, sagt er, habe die türkische Mannschaft wenig Chancen auf eine erfolgreiche Qualifikation. Bis 2024 liege noch viel Arbeit vor ihr.

„Es wäre höchste Zeit gewesen, dass die Türkei einmal den Zuschlag für ein Fußballturnier bekommt“, sagt der Juwelier Veysel Yillik in der Marienstraße. Dies, sagt er, hätte nicht nur dem türkischen Fußball Auftrieb gegeben: „Auch derjenige Teil der türkischen Gesellschaft, der sich Europa verbunden fühlt, hätte durch die Europameisterschaft Auftrieb bekommen.“ Auch die türkische Wirtschaft hätte natürlich von dem Ereignis profitiert. Deutschland habe ja in der Vergangenheit schon viele Welt- und Europameisterschaften im Land gehabt.

„Ich lebe hier, deshalb ist meine Heimat Stuttgart. Weil ich aber türkische Wurzeln habe, hätte ich das Ereignis beiden Staaten gegönnt“, sagt Dogan Kürsad, Inhaber des Barber Shop an der Ecke Tübinger Straße/Rotebühlstraße. Der Zuschlag für die Türkei, sagt er, wäre praktisch gewesen: „Dann wäre die Mannschaft ohne Qualifikation im Turnier gewesen. Anders würde sie es nicht schaffen.“ Er selbst sei zwar kein großer Fußballfan, aber er würde natürlich ins Stadion gehen: „So eine Atmosphäre darf man sich einfach nicht entgehen lassen.“