Am 1. Januar 2019 soll die neue Brückenteilzeit in Kraft treten. Vor der Verabschiedung im Bundestag machen die Grünen Druck: Speziell die Millionen Frauen in Teilzeitarbeit würden davon kaum profitieren, rügt ihre Sprecherin für Arbeitnehmerrechte.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Am kommenden Freitag wird die Erweiterung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes um den Rechtsanspruch auf zeitlich begrenzte Teilzeit in erster Lesung im Bundestag beraten. Am 15. Oktober ist eine öffentliche Anhörung geplant, zum 1. Januar soll das Gesetz in Kraft treten. Damit wird der Streit um die sogenannte Brückenteilzeit neu befeuert.

 

Die Grünen-Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke aus Reutlingen kritisiert, dass das Gesetz an der „Teilzeitfalle für die Frauen rein gar nichts verändern wird“. Es verspreche diesen mehr Zeitsouveränität. „Doch in Wirklichkeit sind die Regeln der Brückenteilzeit starr und setzen mit doppelten und dreifachen Hürden der Zeitsouveränität enge Grenzen.“

Anlass ist die Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Kleine Anfrage der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin ihrer Fraktion (die unserer Zeitung vorliegt). Demnach wird geschätzt, dass etwa 155 000 Beschäftigte – davon 143 000 in der Wirtschaft – im ersten Jahr einen Antrag auf befristete Teilzeit stellen werden.

„Arbeitgeber mit Samthandschuhen angefasst“

Laut dem Gesetzentwurf kann ein Arbeitnehmer seine Arbeitszeit für einen Zeitraum zwischen einem und fünf Jahren ohne Angabe spezifischer Gründe verringern, wenn er dies mindestens drei Monate im Voraus beantragt. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber mehr als 45 Beschäftigte hat – und dass keine betrieblichen Gründe vorliegen, die die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigen. Für Betriebe zwischen 46 und 200 Arbeitnehmern gilt eine Zumutbarkeitsgrenze: Dort muss der Arbeitgeber nur einem pro 15 Arbeitnehmern den Antrag gewähren.

Die Grünen-Expertin moniert, dass die „Arbeitgeber mit Samthandschuhen angefasst werden“. Mithilfe betrieblicher Gründe sei es sehr einfach, den Wunsch abzulehnen. Schwellenwert und Zumutbarkeitsgrenze seien weitere Hürden. „Wer es ernst meint mit einer befristeten Teilzeit, der muss auch für erfolgversprechende Regelungen sorgen“, fordert sie. „Dafür ist dieses Gesetz ist aber viel zu eng ausgestaltet.“

Kaum rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten

Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat über alle Arbeitszeitwünsche informieren. Schon bisher muss er bei der Besetzung freier Stellen gleich geeignete Teilzeitkräfte, die länger arbeiten wollen, bevorzugt berücksichtigen. Künftig muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die freie Stelle dem bisherigen Arbeitsplatz nicht entspricht oder dass die Teilzeitkraft nicht mindestens gleich geeignet ist wie ein anderer bevorzugter Bewerber. „Der Arbeitgeber wird jedoch nicht verpflichtet, einen besetzbaren Arbeitsplatz für den Teilzeitbeschäftigten zu schaffen oder Arbeitsplätze zusammenzulegen“, schreibt das SPD-geführte Arbeitsministerium.

Zudem wird der Arbeitgeber vom Gesetzgeber verpflichtet, mit dem Beschäftigten dessen Wunsch nach einer anderen Arbeitszeit zu erörtern – egal, wie groß die Firma ist. „Das Recht auf Erörterung ist nett gemeint, aber harmlos“, rügt Müller-Gemmeke. „Nach dem Motto: ‚Schön das wir mal geredet haben‘, wird es völlig wirkungslos bleiben.“ Denn rechtliche Durchsetzungmöglichkeiten bestehen praktisch kaum. „Die Bundesregierung schreibt lapidar, Beschäftigte könnten ja vor Gericht gehen – wohlwissend, dass es für sie dann ungemütlich wird im Betrieb“, rügt sie. Wer seine Arbeitszeit verlängern wolle, werde somit „alleine gelassen“.

Millionen Frauen in kleinen Betrieben ausgenommen

Laut der Bundesagentur für Arbeit sind 38,7 Prozent (14,5 Millionen) aller Beschäftigten in Betrieben mit bis zu 45 Mitarbeitern tätig – unter den Frauen sind es 42 Prozent (7,6 Millionen). Die Bundesregierung weist darauf hin, dass sich die Schwellenwerte im Brückenteilzeit-Gesetz aber nicht auf die Betriebsgrößen, sondern „auf die Zahl der von einem Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer beziehen“. Dies dürfe den Kreis der begünstigten Arbeitnehmer weiter einschränken und auch noch Rechtsunsicherheiten eröffnen – und zwar speziell für Frauen, denn 80,8 Prozent aller Teilzeitkräfte waren 2015 weiblich.