Glyphosat ist bei weiten Teilen der Bevölkerung unbeliebt. Im Dezember läuft die Zulassung des Pflanzenschutzmittels aus. Das Bundeslandwirtschaftsministerium arbeitet an einem Plan B: Der umstrittene Wirkstoff soll zunächst für weitere zwei bis drei Jahre zugelassen werden.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Berlin erwägt offenbar weitere Möglichkeiten, um die Verwendung von Glyphosat auf Äckern EU-weit sicherzustellen. Nach Informationen unserer Zeitung will Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) durchsetzen, dass der Wirkstoff, dessen Zulassung am 15. Dezember ausläuft, auf EU-Ebene für weitere zwei bis drei Jahre eine Genehmigung erhält. Wie zu hören ist, verhandelt das Landwirtschaftsministerium mit den beiden SPD-geführten Bundesministerien für Wirtschaft sowie Umwelt. Auch die Grünen, die demnächst Sondierungsgespräche über die Bildung der Bundesregierung führen und als Anwärter für das Bundesumweltministerium gelten, sind in diese Gespräche eingebunden.

 

2016 war eine Verlängerung der Zulassung um zehn Jahre gescheitert, weil die SPD plötzlich ihr Veto gegen einen ausgehandelten Kompromiss einlegte und sich die Bundesregierung laut Koalitionsvereinbarung dann bei der Abstimmung in Brüssel enthalten musste.

Hintergrund vom Plan B ist, dass die Zeit drängt

Hintergrund vom Plan B ist, dass die Zeit drängt: Im Dezember läuft die Zulassung des Wirkstoffes ab, dem die beiden EU-Agenturen für Lebensmittelsicherheit EFSA sowie für Chemikalien (ECHA) Unbedenklichkeit bescheinigen, den aber die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) IARC für „wahrscheinlich Krebs auslösend“ hält. Am 25. Oktober will die EU-Kommission unter den 28 Mitgliedsländern die Verlängerung der Zulassung für Glyphosat um zehn Jahre abstimmen lassen. Sollte der Abgesandte der Bundesregierung aus Berlin wie so häufig in den letzten Jahren nicht die Weisung für ein klares Ja oder klares Nein mitbringen, geht die Hängepartie weiter. Dann kommt vermutlich wieder keine qualifizierte Mehrheit zustande, weil nicht mindestens 16 Mitgliedsländer mit „Ja“ oder „Nein“ stimmen, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Dann könnte die Kommission selbst entscheiden.

Doch EU-Kommissar Vytenis Andriukaitis hat bereits mehrfach angekündigt, dass die Kommission dies nicht will. Sie will nicht den Schwarzen Peter zugeschoben bekommen für die Zulassung eines Mittels, das in weiten Teilen der Bevölkerung nicht mehr gewünscht wird.

Die Debatte um Glyphosat wird immer emotionaler geführt

Klar ist: Sollte der Plan B von Minister Schmidt nicht aufgehen, würde die Zulassung für Glyphosat, das im Ackerbau im großen Stil eingesetzt wird, unweigerlich auslaufen. Für die Bauern würde es schwierig. Vermutlich wäre noch die nächste Ernte gesichert. Doch nach einer Übergangsfrist von bis zu 18 Monaten würden sowohl der Verkauf als auch der Einsatz des Mittels in der EU verboten, das als Allround-Pflanzenschutzmittel vielfach mit einem Breitband-Antibiotikum verglichen wird.

Die Debatte um Glyphosat wird immer emotionaler geführt. Die Gegner von der Initiative „Stop Glyphosate“ haben eine Million Unterschriften zusammen – genug, um damit als EU-Bürgerinitiative von der EU-Kommission anerkannt zu werden. Sie fordern ein Verbot sowie eine Reform der Pestizid-Zulassung in der EU. Die Kommission wird in den nächsten Wochen in den Dialog mit der Bürgerinitiative treten, ist letztlich aber rechtlich frei, wie sie mit den Forderungen umgeht.

Die Gegner versuchen zu mobilisieren

Die Gegner versuchen zu mobilisieren. Immer wieder lassen sie etwa Tests durchführen und weisen auf Rückstände des umstrittenen Wirkstoffes hin. Mal findet er sich im Urin, mal im Speiseeis. Im Eis fanden sich Konzentrationen, die unterhalb der Grenzwerte liegen. Zuletzt warfen die Gegner dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das federführend an der Risikoprüfung beteiligt war, unseriöse Arbeitsmethoden vor. Das BfR, so der Vorwurf, habe Passagen von der Industrie abgeschrieben. Das BfR verwahrt sich entschieden gegen den Vorwurf: Die Gesetzgebung sehe explizit vor, dass der berichterstattende Mitgliedsstaat – im Fall von Glyphosat ist das Deutschland – alle Informationen der durch die Antragsteller eingereichten Dokumente auf Plausibilität und Korrektheit prüft. „Wenn der berichterstattende Mitgliedsstaat mit einer bestimmten Zusammenfassung oder Bewertung der Antragsteller übereinstimmt, kann er diese direkt in seinen Bericht integrieren.“ Abweichende Bewertungen würden durch eigene Kommentare ausgedrückt.

Unterdessen wurde bekannt, dass einer der bekanntesten Glyphosat-Gegner einen Interessenkonflikt haben soll, den er jahrelang verschwieg. Der Forscher Christopher Portier war als „externer Spezial-Ratgeber“ beteiligt, als die IARC zu dem Urteil kam, Glyphosat sei „wahrscheinlich krebserregend“. Nach Recherchen eines Bloggers in den USA zufolge stand Portier auf dem Lohnzettel von zwei US-Großkanzleien, die Schadenersatz vom Glyphosat-Hersteller Monsanto wegen Krebserkrankungen erstreiten wollen, die angeblich von dem Wirkstoff ausgelöst worden sind. Er soll bis Juni 2017 ein Honorar von 160 000 US Dollar (136 000 Euro ) bekommen haben.