Mehr Flexibilität oder mehr Anreize – mit welchen Mitteln kann der Verband Region Stuttgart, wenn überhaupt, den Bau von Wohnraum ankurbeln? Das ist Thema der Regionalversammlung am Mittwoch.

Stuttgart - Mit verschiedenen – etwas großspurig Aktionsprogramm genannten – Maßnahmen will der Verband Region Stuttgart einen Beitrag gegen die Wohnungsnot leisten. Wie sie genau aussehen, wird an diesem Mittwoch die Regionalversammlung in ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause (15.30 Uhr, Sparkassenakademie) entscheiden. Dabei geht es auch um zwei Grundsatzfragen. Erstens: Hält die Region an der Regel fest, dass große Wohnbauschwerpunkte nur an den S-Bahn-Achsen errichtet werden sollen? Und zweitens: Lässt sie – wie von den Freien Wählern gefordert – mehr Wohnungsbau in kleinen Kommunen zu?

 

Die Debatte über den Wohnungsbau begleitet den Verband Region Stuttgart seit Jahren – schließlich gibt er in seinem Regionalplan die Regeln vor, nach denen Kommunen ihre Baupläne machen können. Dabei steuert die Region mit Verweis auf Vorhersagen, laut denen die Bevölkerung in der Region stagnieren oder sogar schrumpfen würde, auf einem vorsichtigen, manche Kritiker sagen auch zu restriktiven Kurs. Sie legt in ihrem Regionalplan fest, dass Kommunen entlang der S-Bahn-Strecken innerhalb von fünf Jahren zusätzlichen Wohnraum für 1,5 Prozent der Bevölkerung schaffen können, die anderen nur für 1,0 Prozent. Ebenso schwankt die Wohndichte: In Stuttgart und weiteren mehr als drei Dutzend regionalen Wohnungsbauschwerpunkten soll sie 90 Einwohner pro Hektar betragen, in kleinen Gemeinden bis zu 50 Einwohner pro Hektar. Dabei hat eine im Juni vorgelegte Untersuchung des Verbands gezeigt, dass diese Vorgaben von den Kommunen meist überschritten werden – sie also mehr Wohnungen bauen als vom Regionalplan als Mindeststandard festgelegt.

Region ging zunächst von weniger Einwohnern aus

Für den regionalen Planungsdirektor Thomas Kiwitt ist das ein Beweis, dass die Vorschriften des Regionalplans nicht der Grund für den Mangel an Wohnungen sind, wie oft von kommunaler Seite behauptet wird. Er verweist darauf, dass in den Wohnungsbauschwerpunkten rund 390 Hektar Flächen mit einem Potenzial von knapp 35 000 Einwohnern und darüber hinaus in den Gemeinden 1600 Hektar Wohnbauflächen für rund 110 000 Menschen sofort verfügbar seien. Für die Bebauung dieser Standorte seien aber die Gemeinden zuständig. Allerdings räumt Kiwitt ein, dass „wir auf Grundlage der statistischen Aussagen gegenüber den Gemeinden argumentiert haben, das Wachstum sei vorbei“.

Das hat sich als falsch erwiesen. Der Zuzug in die Region Stuttgart hält unvermindert an, der Flüchtlingsstrom erhöht den Bedarf noch – vor allem für preiswerten Wohnraum. Alle Fraktionen der Regionalversammlung verlangen deshalb verstärkte Anstrengungen im Wohnungsbau. Mittlerweile geht beispielsweise Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU) davon aus, dass Wohnungen für 150 000 Menschen in der Region geschaffen werden müssen. „Das wäre die zweitgrößte Stadt der Region – und sie ist noch nicht gebaut“, sagt er.

Auf einem regionalen Wohnungsbaugipfel im März und auf einer Fachtagung Anfang Juli wurde über die Hemmnisse und Lösungen auf dem Weg zu mehr bezahlbarem Wohnraum gesprochen. An diesem Mittwoch soll die Regionalversammlung nun erste Beschlüsse fassen. Das Ziel formuliert Regionaldirektorin Nicola Schelling: „Wir wollen Städte dabei unterstützen, Wohnbauflächen, die sich nicht umsetzen lassen, an machbaren Standorten zu realisieren.“ Dazu gehöre, „in Einzelfällen eine Änderung des Regionalplans in Aussicht zu stellen“. Zuvörderst will die Region die Kommunen aber intensiver beraten und in Beispielgemeinden praktische Lösungen umsetzen. Außerdem sollen in regionalen Finanzierungsprogrammen Gemeinden bevorzugt werden, die Wohnraum schaffen. „Warum sollen wir nicht finanzielle Anreize setzen, dass solche Kommunen Mittel für ein Mobilitätskonzept oder für eine Verbesserung des Wohnumfelds erhalten?“, sagt Kiwitt.

Aktionsprogramm in Fraktionen umstritten

Doch nicht nur dieser Punkt ist unter den Fraktionen höchst umstritten. Auch die anderen Vorschläge stießen im Planungsausschuss in der vergangenen Woche nicht gerade auf Begeisterung. „So verfehlen Sie das Ziel“, entgegnete der CDU-Regionalrat Rainer Ganske der Regionaldirektorin, nachdem Schelling das Aktionsprogramm vorgestellt hatte. Die Region dürfe auf keinen Fall davon abrücken, dass große Siedlungen nur in der Nähe der S-Bahn-Strecken gebaut werden dürften. Der Verband müsse sich bei den Kommunen dafür verkämpfen, dass dort auch dichter gebaut werde. Sollte sich ein Baugebiet als nicht realisierbar herausstellen, müsse die Region von sich aus eine alternative Fläche anbieten. „Ich erwarte da mehr von Ihnen“, sagte Ganske zu Schelling.

Der SPD-Regionalrat und frühere Stuttgarter Baubürgermeister Matthias Hahn kritisierte, dass „wir immer dieselbe Schleife drehen“. Die entscheidenden Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau kämen nicht von der Region. „Wir stellen durch den Regionalplan Möglichkeiten bereit“, die die Kommunen nutzen müssten, sagte Hahn: „Wir sollten uns als Region deshalb nicht so aufblasen.“ Auch Ingrid Grischtschenko (Grüne) sagte, es sei Aufgabe der Kommunen, Baurecht zu schaffen.

Mit einem Antrag starten die Freien Wähler, die sich schon immer für weniger Vorgaben der Region einsetzen, einen neuen Versuch, die Vorschriften aufzuweichen. So soll statt der starren Prozentvorgaben die Obergrenze für Wohnbauflächen so gestaltet werden, dass die Kommunen ihre Einwohnerzahl halten oder angemessen erhöhen können. Vor allem kleinere Gemeinden sollen stärker wachsen können als bisher vorgesehen. „Der Verband sollte das wenige tun, was er kann“, sagte Wilfried Wallbrecht, Regionalrat der Freien Wähler und Baubürgermeister von Esslingen: „Trotz aller Wohnbaugipfel und Konferenzen bewegt sich nichts. Nur die Preise für Miete und Eigentum bewegen sich nach oben.“ Auch die FDP könnte sich mehr Flexibilität vorstellen, während die Linken fordern, den Schwerpunkt auf den sozialen Wohnungsbau zu legen.

Was letztlich Eingang in das Aktionsprogramm findet, wird sich am Mittwoch zeigen. Kiwitt jedenfalls sieht die Region schon jetzt grundsätzlich auf dem richtigen Weg. „Im Regionalplan wird keine Gemeinde auf Schrumpfen gesetzt, sondern allen ein Wachstum ermöglicht“, sagt er.