Russlands Luftraum ist für Maschinen aus Deutschland und 35 weiteren Staaten gesperrt. Damit ist der schnellste Weg zwischen Europa und Asien blockiert. Das hat nicht nur Konsequenzen für Reisende, sondern auch für Russland selbst.

Stuttgart - Während sich aktuell auf der Karte des Portals Flightradar, das Positionen von Flugzeugen in Echtzeit darstellt, hunderte kleine gelbe Maschinen über Europa ballen, zeigt sich über Belarus, der Ukraine und über weiten Teilen Russlands nur ein weißer Korridor. Nicht nur Russlands Luftraum ist gesperrt, auch die Europäische Union hat in der Nacht zum Montag nachgezogen und verhängte Lande- und Überflugverbote für russische Maschinen. Doch was passiert, wenn sich jemand nicht an das Verbot hält? Und welche Auswirkungen hat die Sperrung auf den restlichen Flugverkehr?

 

Wer überwacht den deutschen Luftraum?

Die Überwachung eines Luftraums richtet sich nach international geltenden Regeln und unterliegt nationaler Aufsicht, erklärt der Sprecher der Deutschen Flugsicherung, Boris Pfetzing. Bei An- und Abflug unterliegt die Zuständigkeit für ein Flugzeug den Fluglotsen am jeweiligen Flughafen, den unteren Luftraum über Deutschland überwachen Kontrollzentralen in Bremen, München und Langen bei Frankfurt. Der obere Luftraum wird vornehmlich aus Karlsruhe kontrolliert. Jede Flugroute muss vorab vom zentralen europäischen Flugplanmanagement (Network Manager) genehmigt werden. Deutsche Flugzeuge, die nach Russland fliegen möchten oder russische Flugzeuge, die deutschen Luftraum nutzen wollen, werden aktuell von vorneherein abgelehnt. Dass ein russisches Flugzeug versuchen könnte, den deutschen Luftraum unerlaubt zu nutzen, sei sehr unwahrscheinlich, sagt Pfetzing. Jede Maschine werde an den Grenzen der nationalen Lufträume von Fluglotse zu Fluglotse übergeben. Flugzeuge ohne Fluggenehmigung würden abgewiesen werden und Piloten müssten abdrehen.

Was ist, wenn ein Flugzeug nicht abdreht?

Dieser Fall sei eher theoretischer Natur, sagt Pfetzing. In diesem Fall würde die deutsche Luftwaffe das Flugzeug aus deutschem Gebiet herausbegleiten. Dieses Prozedere sei der Standard für jede Maschine, zur der kein Funkkontakt besteht und deren Piloten nicht reagieren. Beispielsweise war im Juni 2014 ein Pilot eines belgischen Airbus im französischen Luftraum eingeschlafen. Die französischen Lotsen konnten kein Funkkontakt herstellen und sendeten ein Jagdflugzeug, dessen Lärm den Piloten aufweckte.

Wie verändert sich die Flugroute?

Der russische Luftraum ist zwar nicht das Hauptdrehkreuz des internationalen Luftverkehrs. Doch insbesondere Flüge, die von Deutschland aus nach Fernost, etwa Japan, Korea oder China starten, und normalerweise den russischen Luftraum überfliegen würden, müssen nun erhebliche Umwege von bis zu 2000 Kilometern auf sich nehmen. Die Konsequenz: Verkehrsverlagerung nach Süden und Westen. Besonders über der Türkei sei derzeit ein erhöhtes Flugaufkommen zu beobachten, sagt Michael Trinkwalder, Sicherheits- und Krisenexperte des Sicherheitsanbieters A3M . Zeitliche und räumliche Puffer für Situationen wie diese seien jedoch bei der Flugplanung berücksichtigt, ergänzt Pfetzing von der Deutschen Flugsicherung. Zudem erleichtere seiner Einschätzung nach das derzeit noch geringere Flugaufkommen in der Coronapandemie die Planung von Ersatzrouten.

Wie aufwendig ist die Umplanung für Airlines?

„Umplanungen wie diese bedeuten einen erheblichen logistischen Mehraufwand“, sagt Sicherheitsexperte Trinkwalder. Einige Flüge in den asiatischen Raum wurden daher kurz nach Inkrafttreten des Flugverbotes von europäischen Airlines zunächst eingestellt. Die finnische Airline Finnair meldete etwa, dass sich sowohl Personen- als auch Frachtflüge aufgrund der längeren Flugzeiten finanziell nicht lohnen würden. Ab dem 9. März werden Flüge aus Helsinki nach Tokio über eine Route außerhalb des russischen Luftraumes jedoch wiederaufgenommen. Die deutsche Lufthansa umfliegt bereits seit Sonntag den russischen Luftraum auf dem Weg nach Fernost. Die Verkehrszentralen der Airlines holen nun neue Verkehrsrechte ein, um Ziele ansteuern zu können. Auch Abflugs- und Landezeiten müssen angepasst werden.

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Dauert mein Flug nun länger?

Durch die Verschiebungen können sich Flugzeiten und Fluglängen verlängern. Bei einem Flug von Frankfurt nach Peking sei laut eines Sprechers der Lufthansa mit 60 bis 90 zusätzlichen Flugminuten zu rechnen. Ein Flug nach Tokio dauere zwei Stunden länger. Besonders betroffen dürften skandinavischen Airlines sein. Die Strecke von Helsinki nach Peking dauert etwa 3,5 Stunden länger, schätzt Trinkwalder. Zu viele Extrakilometer könnten Zwischenlandungen nötig machen, um Kerosin nachzutanken.

Hat die Sperrung Auswirkungen auf Flugbuchungen und Ticketpreise?

Reisende müssen sich nach Einschätzungen Trinkwalders mittelfristig auf steigende Ticketpreise einstellen. Grund dafür sind insbesondere global steigende Kerosinpreise, die etwa 15 bis 35 Prozent der Betriebskosten einer Airline ausmachen. Bei Reisen in den asiatischen Raum dürften mögliche Zwischenstopps und längere Flugzeiten Grund für die Preisanhebung sein. Diese Einschätzung teilt auch Julia Zeller, Juristin und Expertin für Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale Bayern. Bereits gebuchte Tickets seien von Preissteigerungen jedoch nicht betroffen, da der Vertrag einer Ticketbuchung keine Preisanpassungsklausel enthält.

Werde ein Flug annulliert, hätten Fluggäste Anrecht auf die Erstattung des vollen Betrags, sagt Zeller. Gleiches gilt für Pauschalreisen, die unmittelbar von den Konflikten betroffen sind. Ausgleichszahlungen, die nach der Fluggastrechteverordnung Reisenden europäischer Airlines bei Annullierung zustehen, müssten jedoch nicht gezahlt werden, denn Krieg gilt als außergewöhnlicher Umstand, sagt Zeller. Angst, etwa vor Reisen in Länder nahe der Konfliktregion, begründe im Übrigen keine Rückerstattung, hier gelten die normalen Stornierungsbedingungen.

Wie komme ich jetzt noch aus Russland zurück?

In diesem Fall bietet sich derzeit nur ein Flug mit einem Zwischenstopp in einem Drittstaat an, in den Flugzeuge aus Russland noch fliegen dürfen, etwa die Türkei oder Aserbaidschan. Wie lange dies noch möglich sein wird, sei jedoch unklar, gibt Trinkwalder zu bedenken. Mit weiteren Luftraumsperrungen müsse jederzeit gerechnet werden, warnt auch das Auswärtige Amt der Bundesrepublik. Für Reisen nach Russland gilt ohnehin eine Teilreisewarnung, für die Ukraine eine vollständige Reisewarnung.

Info: Trifft Russland das Landeverbot?

Harter Schlag
Mit der Sperrung des Luftraums trifft Russland nicht nur andere Länder. Das Team des deutschen Portals Airliners.de hat Kapazitätsdaten und Flugpläne genauer analysiert und kommt zu dem Schluss, dass das Flugverbot nach Deutschland die russischen Airlines besonders hart trifft. Deutschland sei, so das Portal, der wichtigste Luftverkehrsmarkt für die Russen gewesen. Neben Deutschland seien auch Griechenland, Frankreich und Italien wichtige Ziele für russische Airlines, doch auch hier gelten Flugverbote. Laut Trinkwalder haben die russischen Airlines S7 sowie Smart Avia am Freitagnachmittag verkündet, ihren Auslandsflugverkehr gänzlich einzustellen.

Leasing
Flugzeuge russischer Airlines werden größtenteils von europäischen Firmen geleast. Eine Fortsetzung von Leasingverträgen würde gegen die verhängten Sanktionen verstoßen. Zudem hat die EU den Verkauf von Flugzeugen, Ersatzteilen und Ausrüstungen an russische Luftfahrtunternehmen untersagt. Die Flugzeughersteller Boeing und Airbus haben ihrerseits ein weltweites Reparaturverbot für russische Maschinen verhängt.