Australischer Forscher warnen vor den katastrophalen Folgen des weltweiten Insektenrückgangs.

Sydney - Es gibt immer weniger Insekten. Geht das Sterben weiter, könnten sie innerhalb eines Jahrhunderts verschwunden sein. Dies könnte einen „katastrophalen Zusammenbruch der Ökosysteme der Natur“ zur Folge haben, warnen Forscher. Auch das Überleben der Menschheit wäre gefährdet. Als der Ökologe Francisco Sánchez-Bayo mit seiner Familie in den Urlaub fuhr, erlebte er den Insektenrückgang am eigenen Leib. Rund 700 Kilometer war er in Australien über Land gefahren, und nicht einmal musste er die Windschutzscheibe putzen. „Vor Jahren hätte man das andauernd machen müssen“, berichtete er der Zeitung „Guardian“.

 

Sánchez-Bayo ist Ökologe und arbeitet an der Universität von Sydney. Zusammen mit einem Kollegen der Universität von Queensland hat der Wissenschaftler 73 Studien analysiert, die sich mit dem weltweiten Rückgang der Insekten beschäftigten. Das Ergebnis der Analyse, veröffentlicht im Fachmagazin „Biological Conservation“: Mehr als 40 Prozent aller Insektenarten sind vom Aussterben bedroht. Insekten sterben achtmal schneller aus als Säugetiere, Vögel und Reptilien. Vor allem Bienen, Schmetterlinge, Motten, Käfer und Wasserinsekten sowie Libellen sind betroffen.

Derzeit sinkt die Gesamtmasse der Insekten pro Jahr um 2,5 Prozent. „Das ist rapide“, sagte Sánchez-Bayo. „In zehn Jahren werden wir ein Viertel weniger haben, in 50 Jahren wird nur noch die Hälfte übrig sein, und in 100 Jahren werden wir keine mehr haben.“ Falls dieser Fall eintreten sollte, wären die Folgen für die Ökosysteme des Planeten katastrophal, warnt der Forscher. Selbst das Überleben der Menschheit sei dadurch gefährdet.

Sterben die Insekten, verschwinden auch viele andere Tierarten

Insekten sind nicht die einzigen Tiere, die ums Überleben kämpfen oder bereits ausgestorben sind. Erst im Oktober zeigte der Living-Planet-Report der Naturschutzorganisation WWF, dass es heute 60 Prozent weniger Wirbeltiere als noch vor 40 Jahren gibt. Das rasante Aussterben vieler Insektenarten könnte den Tod anderer Arten nochmals beschleunigen. Denn Insekten sind Futter für viele Tiere, bestäuben Pflanzen und recyceln Nährstoffe. Sterben die Insekten, verschwinden auch etliche andere Tierarten.

Vor allem aus Deutschland und Puerto Rico wurde in jüngster Zeit ein Schwund von Insekten gemeldet. Eine Langzeitstudie in 63 Schutzgebieten in Deutschland meldete 2017 einen Rückgang von 76 Prozent der Fluginsekten-Biomasse zwischen 1989 und 2016. Betroffen davon waren neben Bienen und Wespen unter anderem auch Schmetterlinge und Motten. Im Oktober kam dann die beunruhigende Nachricht dazu, dass Biologen selbst in einem Regenwald in Puerto Rico einen dramatischen Einbruch der Insektenzahlen feststellen mussten.

Andere Studien konnten bereits das fortschreitende Verschwinden der Schmetterlinge in den Graslandschaften Europas dokumentieren oder den Rückgang der Käfer- und Bienenpopulationen. So konnten Forscher in Oklahoma in den USA 2013 nur noch die Hälfte aller Hummelarten nachweisen, die es 1949 noch gab. Von den sechs Millionen Honigbienen-Kolonien, die die USA 1947 bevölkerten, sind nur noch 3,5 Millionen übrig.

Nur eine Hummelart in den USA kann das entstandene Vakuum nutzen

Die Analyse der Forscher in Australien sieht die intensive landwirtschaftliche Nutzung großer Flächen sowie den Einsatz von Pestiziden als Grund für den Insektenrückgang – gepaart mit dem Klimawandel und der Urbanisierung. Vor allem die Insektenschutzmittel Neonicotinoide sowie Fipronil, die in den vergangenen 20 Jahren häufig zum Einsatz kamen, hätten zum Rückgang beigetragen. Aber auch das Abholzen von Bäumen und Büschen entlang der Felder müsse aufhören. Für viele Insektenarten stehen noch Studien aus, doch die Forscher haben wenig Hoffnung, auf positive Nachrichten zu stoßen. Bisher konnten nur wenige Arten gefunden werden, darunter eine Hummelart in den USA, deren Populationen zunahmen und die das Vakuum nutzten, das andere Arten hinterließen.