Der Markgröninger Bürgermeister Rudolf Kürner will die unechte Teilortswahl in seiner Stadt abschaffen – eigentlich. In letzter Sekunde wurde die Abstimmung vertagt, nun sollen die Bürger entscheiden. Aus taktischen Gründen?

Markgröningen - Es sollte eine historische Entscheidung werden: die Abschaffung der unechten Teilortswahl. Der Markgröninger Bürgermeister Rudolf Kürner wollte in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats jenen Passus aus der Hauptsatzung der Stadt tilgen, der den Einwohnern von Unterriexingen bei jeder Kommunalwahl vier Plätze im Gremium sichert. Allein: dazu kam es nicht. Kurz vor Beginn der Sitzung nahm der Rathauschef den Punkt von der Tagesordnung. Er wolle einem Antrag der Grünen-Fraktion über einen Bürgerentscheid in dieser Frage nicht vorgreifen. Außerdem teilte Kürner dem Gremium eine weitere Überraschung mit: er sei nun ebenfalls der Meinung, dass die Bürger in dieser Sache entscheiden sollten.

 

Diese Wendung kam insofern überraschend, als dass der Rathauschef bis vor Kurzem die unechte Teilortwahl lieber gestern als heute abgeschafft hätte. Doch plötzlich wurde die Entscheidung vertagt. Im Gemeinderat wird seither spekuliert, ob der Schultes seine Mehrheit für die Abschaffung schwinden sah und deshalb den Weg für ein Plebiszit freimachte. Denn einige Räte rechneten noch bis kurz vor der geplanten Abstimmung mit einem Patt. Die Stimme des Bürgermeisters hätte möglicherweise über Wohl oder Wehe der Teilortswahl entschieden – eine Lage, in die sich Kürner womöglich nicht manövrieren wollte. Denn die Debatte über die Abschaffung wird emotional geführt: Schon auf einer Informationsveranstaltung vor Monaten äußerten sich einige Bürger kritisch über die Abschaffung. Seither ist der Protest nicht wieder verstummt, so dass auch Kürner zugeben muss: „Das Thema wird vor Ort leidenschaftlich diskutiert.“

Die Debatte wird äußerst emotional geführt

Mittendrin in dieser Debatte sind Helmut Lang und Peter Zibold. Für die beiden Vorsitzenden des Bürgerforums Unterriexingen ist die Teilortswahl ein schützenswertes Privileg, weshalb sie bis zuletzt intensiv für ihre Beibehaltung geworben haben. In den vergangenen 40 Jahren seien die beiden Stadtteile von Markgröningen nicht derart zusammengewachsen, als dass die Einwohner des deutlich kleineren Ortsteils jetzt auf ihre besondere Mitbestimmung im Rat verzichten könnten, sagt der Zweite Vorstand Helmut Lang. „Das ist kein Vergleich zu anderen Gemeinden, in denen die Teilortswahl abgeschafft wurde.“ Bis heute gebe es keine echte Annäherung zwischen Unterriexingen und Markgröningen, „und deshalb brauchen wir politische Kompetenz vor Ort“. Lang und Zibold sind daher froh, dass die Entscheidung erst einmal vertagt ist. Im Falle eines Bürgerentscheids rechnen sie sich gar nicht so schlechte Chancen aus, die garantierten Sitze im Rat behalten zu können – auch wenn die deutliche Mehrzahl der Stimmberechtigten in Markgröningen lebt.

Andreas Semmling, der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Gemeinderat, bestätigt, dass er und seine Fraktion an einem Papier zum Bürgerentscheid arbeiten. Für Semmling sprechen in erster Linie emotionale Gründe gegen die Tilgung der Teilortswahl: „Es sollte nichts gegen den Willen der Bürger durchgedrückt werden“. Er habe viele Stimmen gehört, die sich gegen die Abschaffung richteten, sagt Semmling. Um die Teilortswahl zu retten, beantrage seine Fraktion zwar jetzt den Bürgerentscheid – dieser sei für ihn aber nur die zweitbeste Lösung. Lieber wäre dem Grünen-Chef gewesen, der Gemeinderat und die Verwaltungsspitze um Bürgermeister Kürner hätte das Thema unechte Teilortswahl gar nicht erst angerührt: „Es gibt aktuell wichtigere Themen.“

Der Bürgermeister will die Teilortswahl abschaffen

Warum die ganze Debatte überhaupt derart emotional geführt wird, liegt auch in der Geschichte begründet. Mit dem Sonderrecht sollte den Einwohnern von Unterriexingen vor mehr als 40 Jahren die Eingemeindung nach Markgröningen schmackhaft gemacht werden. Eine festgelegte Zahl an Sitzen sollte eine ständige Vertretung im Stadtrat sicherstellen, die Unterriexinger Interessen so gewahrt bleiben.

Doch mittlerweile hält man im Rathaus nicht mehr allzu viel von dieser kommunalpolitischen Besonderheit. In der Vergangenheit bezeichnete Bürgermeister Rudolf Kürner den Mechanismus gerne als „ungerechte Teilortswahl“, verursacht dieser seiner Meinung nach bei Wahlen doch regelmäßig viele ungültige Stimmen. Bei einer Informationsveranstaltung vor wenigen Monaten sagte der Bürgermeister, dass es „keine Quotenmänner und -frauen“ im Rat brauche, die dort „gnadenhalber“ seien.

Daher machte sich Kürner seit gut einem Jahr für eine Abschaffung stark. Nun muss der Schultes für dieses Ziel mindestens einen Umweg in Kauf nehmen.