Wenn am Nachmittag spontan Live-Musik im Wald ertönt, zeigt das, dass wir gerade in ganz besonderen Zeiten leben: Ein Musik ohne Probenraum muss zu erfinderisch sein.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Frühling – der lässt das Herz des Hundebesitzers vor Freude hüpfen. Das Tier muss ja raus, ob es stürmt oder scheit, ob es regnet oder ob, wie jetzt, so wunderbar die Sonne scheint. Deshalb zog es Frau und Hund am Samstag zum Nachmittagsspaziergang an die Waldau nach Degerloch. Vorbei ging es an den rot-weißen Absperrbändern, die den Aufenthalt am Spielplatz mit Grill verbieten. Auch die Fitness-Stationen sind abgesperrt. Man könnte sich an den Geräten ja zu nahe kommen.

 

Bläserprobe unter Bäumen

Gleich zweimal hat uns ein Radfahrerüberholt, erst bergabwärts Richtung Schönberg, dann bergaufwärts Richtung Degerloch. Sein Markenzeichen: ein stattlicher Instrumentenkoffer auf dem Rücken. Doch dessen geheimnisvoller Inhalt sollte bald zum Einsatz kommen. Der Radfahrer verschwand und urplötzlich ertönte mitten im Wald Musik, und zwar live. Und schon war es zu sehen, das Funkeln des Blasinstruments im Sonnenlicht zwischen den Bäumen. Gespielt von unserem Radfahrer. Jetzt hatte er einen geeigneten Platz zum Spielen gefunden: etwas abseits vom Weg, mit Bänkchen. Mit Daumen hoch, habe ich mit Sicherheitsabstand meine Freude über diese Überraschung gezeigt und erntete ein freundliches Nicken. Der Hund dagegen setzte seinen typischen „Da stimmt doch was nicht Blick“ auf.

Als wir längst außer Sichtweite, nicht aber außer Hörweite unseres Waldposaunisten waren, klärte uns eine andere Gassi-Geherin auf: „Ach, da übt ja wieder unser Musiker. Der ist oft hier.“ Der Klang einer Posaune ist raumfüllend. Wer dieses Instrument zuhause übt, wird sich deshalb nicht nur Freunde schaffen. Im Wald jedoch schon. Und so können die Folgen der Coronakrise wenigstens einmal eine angenehme Nebenwirkung haben: Schöne Klänge an einem unerwartetem Ort, weil vielleicht der Probenraum geschlossen ist.