Hat der Jaguar-Fahrer, der sich im September wegen Mordes vor Gericht verantworten muss, aufgrund eines Fehlers der Polizei Beweismaterial vernichten können? Das behauptet der Anwalt eines Unfallopfers.

Stuttgart - Was ist mit dem Handy des 20-jährigen Fahrers nach dem Jaguar-Unfall im März geschehen? Hat es die Polizei sofort eingezogen? Oder konnte der Mann, der wegen Mordes im September vor Gericht stehen wird, Beweise vernichten, weil das versäumt wurde? Diese Fragen wirft der Anwalt eines der Opfer des tödlichen Unfalls vom 6. März an der Rosensteinstraße auf.

 

Der „Kölner Stadtanzeiger“ hat am Montag berichtet, es sei bei dem Verfahren gegen den 20-jährigen Raser eine Ermittlungspanne geschehen. Die Beamten hätten das Handy nicht sofort sichergestellt. Daher habe der Beschuldigte seine Kumpels auffordern können, Videos seiner waghalsigen Fahrt zu löschen und sie selbst auf seinem Smartphone löschen können. Die Rede ist von der Fahrt auf der Autobahn kurz vor dem Unfall. Dort soll der Angeklagte mit Tempo 274 unterwegs gewesen sein, was er im Video festhielt. Diese Aufnahme sei rekonstruiert worden. Die Stuttgarter Polizei und die Staatsanwaltschaft kommentieren die Vorwürfe nicht. Die Akten, aus denen der Anwalt der Eltern zitiert, sind nur für die Verfahrensbeteiligten zugänglich.

Der Mann soll im März mit einer Geschwindigkeit von 168 Stundenkilometern durch die Rosensteinstraße gerast sein. Aufgrund eines Ausweichmanövers verlor er die Kontrolle über den Jaguar mit 550 PS, den er gemietet hatte, und schleuderte auf den Kleinwagen eines 25-Jährigen und dessen 22-jähriger Freundin. Beide waren sofort tot. Die Staatsanwaltschaft hat wegen des Unfalls Mordanklage gegen den 20-Jährigen erhoben.

Die Anklage stützt sich auf ein Gutachten, nicht auf die Videos

Die Anklage stützt sich nicht auf die Handyvideos – diese sollen inzwischen weitgehend wiederhergestellt sein. Die Staatsanwaltschaft zieht für ihre Argumentation die Daten heran, die ein Bordcomputer in dem gemieteten Jaguar aufgezeichnet hatte. Daraus ist die Fahrgeschwindigkeit vor dem Zusammenstoß ebenso abzulesen wie die Tatsache, dass der junge Mann das Gaspedal ganz durchgedrückt haben soll, als er mit fast 170 Sachen durch das Nordbahnhofviertel raste. Die Fahrt davor, die auch schon extrem riskant gewesen sein soll – so berichtet es der „Kölner Stadtanzeiger“ und beruft sich auf die Schriftstücke der Anklage –, spielt für die im Zentrum stehende Tat keine Rolle. Der Prozess wird sich wohl auf die Fahrt durch die Rosensteinstraße konzentrieren, bei der es zu dem tödlichen Zusammenstoß kam.

Wäre das Handy tatsächlich nicht direkt eingezogen worden, wäre das in der Tat ein Versäumnis der Ermittler. Jedoch wäre die Panne auch ein Stück weit behebbar, denn Kriminaltechniker können Daten, die von Handys gelöscht wurden, meist lückenlos wiederherstellen. Davon spricht auch der Anwalt der Unfallopfer, den der Redakteur der Kölner Zeitung zitiert: Es seien Videos wiederhergestellt worden. Dann dürften die Ermittler sicher auch die Chats vorliegen haben, in denen der Beschuldigte Kumpels zum Löschen der Aufnahmen aufforderte.