Zum Semesterstart der Universitäten in Stuttgart müssen sich Studierende, aber auch Dozenten, auf große Veränderungen einstellen: Komplett digitale Lehrformate sind für beide eine Herausforderung.

Stuttgart - Nein, bang sei ihm vor dem Start des Sommersemesters am Montag nicht, sagt der Hohenheimer Unirektor Stephan Dabbert. Dabei wird der Studienbetrieb ziemlich anders laufen als jemals zuvor. „Die Sache hat uns sehr stark überrollt.“ Denn Präsenzvorlesungen verbietet die Corona-Verordnung bis auf Weiteres. Der Campus wird nahezu leer gefegt sein, studiert wird woanders: in WG- oder Wohnheimzimmern oder zuhause bei den Eltern. Vier Wochen hatten die Uniprofessoren Zeit, um ihr Studienangebot auf digitale Formate umzustellen. Dafür habe die Uni Leitlinien entwickelt, berichtet Dabbert. „Aber das Entscheidende ist, was die Lehrenden machen“, räumt er ein. Die Umsetzung sei aus mehreren Gründen eine Herausforderung.

 

Müssen sich die mehr als 9000 Studierenden in Hohenheim nun auf abgefilmte Vorlesungen aus dem Garten des Professors einstellen? „Nein“, sagt der Rektor, „abgefilmte Vorlesungen sind unerwünscht.“ Nicht nur aus didaktischen Gründen. „Wir müssen bedenken, dass die Internetverbindung bei vielen Studierenden nicht immer gut ist, deshalb wollen wir Livestreaming möglichst komplett weglassen.“ Auch die Infrastruktur der Universität würde dabei „in die Knie gehen“, so Dabbert. Deshalb gehe es eher darum, dass die Studierenden sich Übungen runterladen, bearbeiten, zwischendurch im Chat Fragen stellen könnten oder sich auch einmal einen vorbereiteten Film ansehen.

Exkursionen und eigene Experimente im Labor fallen erst mal flach

Aber die direkte Arbeit an Tier oder Pflanze, Exkursionen oder Versuche im Labor werde es erst mal nicht mehr geben. Das trifft die Uni Hohenheim, wo fast die Hälfte der Studierenden ein agrar- oder naturwissenschaftliches Fach belegen, besonders. Der Rektor räumt ein, die praktische Kompetenz könne man allerdings nur bei solchen Versuchen lernen. Einen adäquaten Ersatz dafür gebe es leider nicht, bedauert er. Entsprechend groß seien die Einschränkungen auch beim Forschungsprojekt Humboldt reloaded, das Studierenden bereits zu Anfang ihres Studiums Forschungsprojekte mit Kommilitonen aus anderen Fachrichtungen ermöglicht – normalerweise. Da müsse man in Corona-Zeiten eben „eine gewisse Kreativität entfalten“, meint Dabbert, der selbst Agrarökonom ist.

Neue Regeln müsse die Uni nun auch für Prüfungen entwickeln. „Wir werden ab Montag prüfen“, kündigt der Rektor an. Zunächst seien es allerdings nur Einzelprüfungen von Bachelor- oder Masterstudierenden sowie Doktoranden – mit maximal fünf Personen im Raum. Die erste Rückkehr zum Präsenzbetrieb. „Wir planen, dass wir in vier Wochen die ersten größeren Prüfungen nachholen.“ Sofern die Corona-Lage dies dann zulasse. Denn wegen des Virus stünden noch rund 170 zentral organisierte Prüfungen vom Ende des Wintersemesters aus. Dabei müssten auch die Abläufe verändert werden, Desinfektionsmittel bereit gestellt, Ein- und Ausgänge neu definiert werden und die Prüflinge nach Fieber befragt werden. Und, bedingt durch die neuen Abstandsregeln, meint Dabbert: „Wir werden sehr viel mehr Personal brauchen.“ Geplant sei, viele Hiwi-Jobs auszuschreiben. Damit könne man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, denn viele Studierende hätten durch die Coronakrise ihre Jobs verloren und hätten nun Probleme, ihr Studium zu finanzieren. Außerdem fielen ja nun viele Rentner aus Risikogründen aus, die man früher eingesetzt habe.

Wird in einem Jahr ein voll besetztes Audimax wieder möglich sein?

Doch auch die längerfristigen Wirkungen der Coronakrise beschäftigen den Rektor. Die Studieninhalte in den Laboren werde man versuchen, so gut wie möglich nachzuholen, so weit das eben mit einer geringeren Belegungsdichte umsetzbar sei. Und: „Wir werden vielleicht die eine oder andere Wahlveranstaltung nicht durchführen können.“ Was auch Dabbert jetzt nur sehr schwer einschätzen kann: „Werden wir in einem Jahr wieder Vorlesungen mit 660 Menschen im Audimax haben?“ Und welche Bildungserfahrungen werden die Studenten im persönlichen Miteinander noch machen können?