An der Uni Stuttgart experimentiert man mit neuen, nachhaltigen Baustoffen. Sie sollen leicht abbaubar sein – und trotzdem viel können.

Stuttgart - Hanaa Dahy hätte zwei USA-Stipendien haben können, doch die Architektin zog es vor, ihren Doktor in Stuttgart zu machen: wegen der hier vorhandenen Verbindungen zwischen Forschung und Industrie. Die Ägypterin interessierte sich für Biokomposit-Werkstoffe aus Agrarfasern und deren architektonische Anwendungen und schuf sich damit dann gleich ihre eigene Forschungsabteilung: Biobasierte Materialien und Stoffkreisläufe in der Architektur (BioMat).

 

Seit zwei Jahren ist sie Juniorprofessorin an der Universität Stuttgart und setzt in diesem Sommer die Serie der Forschungspavillons fort, die das Institut für Tragkonstruktionen und konstruktives Entwerfen (ITKE) seit 2010 auf dem innerstädtischen Hochschulcampus errichtet. Das Besondere an ihrem Pavillon, der aus zwei Seminaren im vergangenen Winter- und Sommersemester hervorgegangen ist: Die Bauteile der dreieckigen Kuppelschale, die sich auf zwei Ebenen zu einem Sechseck-Ornament verflechten, sind in diesem Fall nicht aus Kohlefasern, sondern aus pflanzlichen Reststoffen aufgebaut – im Klartext und etwas vereinfacht: aus Stroh, verbunden mit einem thermoplastischen, elastischen Polymer, von beiden Seiten furniert und mit Bootslack wetterfest gemacht.

Die große Tradition des Leichtbaus

Stroh fällt weltweit in großen Mengen an, kostet fast nichts und wird häufig sogar verbrannt, sagt Hanaa Dahy. Es ist ein nachwachsender Rohstoff, und die Baumaterialien, die sie damit entwickelt, sind komplett wiederverwertbar, aber auch kompostierbar. Die Konstruktion des Pavillons wiederum knüpft an die große Tradition des Leichtbaus und der Orientierung an natürlichen Formen, der Biomimetik, an, wie sie Frei Otto seinerzeit in Stuttgart eingeführt hat.

Vierzig Studenten hatten eine große Zahl formaler Lösungen entwickelt. Bei der Auswahl und Umsetzung kamen praktische Gesichtspunkte zum Tragen, so dass Dahy darauf verzichtete, den Pavillon als frei tragende Schale auszubilden. Stattdessen gründet die Konstruktion auf drei sich überkreuzenden, gekrümmten Balken.

Die speziellen Biofaser-Kompositen, wie Hanaa Dahy sie entwickelt, eignen sich besonders gut als Schall- und Wärmedämmstoffe. Bei dem Pavillon, der noch mindestens bis Ende September auf dem Campus stehen wird, geht es unter anderem darum, wie sie sich im Außenbereich bewähren. An zwei, drei Stellen sind inzwischen Feuchtigkeitsflecken zu sehen. Wenn sich bei der regelmäßigen Überprüfung keine Verformungen zeigen, würde Dahy den Pavillon gern den Winter über stehen lassen, um ihn auch auf Schneelasten zu testen.