Die vier Universitätskliniken im Land stecken in der Abwärtsspirale, aber die Landespolitik beschränkt ihre Tatkraft auf Appelle an den Bund. Die Folge: die Häuser sparen den Defiziten hinterher oder machen weiter wie bisher.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm/Freiburg/Heidelberg/Tübingen - Die deutschen Unikliniken haben sich zu Patienten erklärt, nun wollen sie gepäppelt werden. In den vergangenen drei Jahren, rechnet der Verband der Universitätsklinika Deutschlands vor, hätten die 33 Häuser im Bund eine Ergebnisverschlechterung von 155 Millionen Euro eingefahren. 17 Kliniken rechnen laut Umfrage 2014 mit Millionenverlusten. Ein Sondertopf müsse für die „Supramaximalversorger“ her, fordert der Verband. Jährlich 20 bis 40 Millionen Euro mehr pro Klinik, insgesamt rund eine Milliarde Euro, das ist die Forderung.

 

Die vier baden-württembergischen Standorte sind vom Abwärtstrend nicht ausgenommen. Drastisch ist die Misere in Ulm. In Heidelberg stehen ordentlichen Gewinnen aus dem Vorjahr hohe Schulden gegenüber. Die Hälfte ihrer Baukosten müssen die Unikliniken aus den eigenen Etats aufbringen. Wenn die Rücklagen nicht reichen, werden eben Kredite aufgenommen. So ist in Freiburg die Finanzlage vordergründig gut. Allerdings ist dort schon lange nicht mehr gebaut worden, von einem Investitionsstau ist die Rede.

Das System der Fallpauschalen war der Anfang vom Ende

Zu kippen begannen viele Unikliniken mit Einführung des diagnosebasierten Fallpauschalensystems. Die Häuser, so der Bundesverband, seien davon doppelt hart betroffen, weil Unikliniken sich per Gesetz der Breitenversorgung zu widmen hätten, auch seltene Krankheiten behandeln müssten und überdies der Forschung und Lehre verpflichtet seien. Die Zahlen seien so schlecht, heißt es, dass Tarifsteigerungen und höhere Energiekosten kaum noch refinanziert werden könnten.

Wer bei einem Universitätskrankenhaus angestellt ist, bekommt mehr Gehalt als bei gleicher Tätigkeit in einem Kommunalkrankenhaus. Der Uniklinika-Tarifvertrag des Landes ist in Jahren großer wirtschaftlicher Stärke ausgehandelt worden, und er fand auch die überwiegende Zustimmung von Managern und Politikern. Wir sind besser als die anderen, und wir wollen die besten Mitarbeiter, hieß es lange. Nun wird dieses stolze Tarifwerk zum wachsenden Problem der kränkelnden Häuser. Auch rächt sich insgesamt die Strukturpolitik der 70er-Jahre, als Krankenhäuser überall in die Fläche gebaut wurden. Niemand ahnte voraus, dass die Kassen in Zeiten rückläufiger Bevölkerungszahlen halb leere Kliniken eines Tages nicht mehr finanzieren würden. Die Einführung der Fallpauschale war eine politische Notmaßnahme; der Beginn, wenn man so will, eines durchaus gewollten Kliniksterbens. Und die Unikliniken sind mitten drin.

Landespolitiker appelieren vor allem an den Bund

Hier liegt, so suggeriert der Klinikenverband, ein Fall von höherer Gewalt und der Unschuld machtloser Krankenhausdirektoren vor. So sehen das auch Landespolitiker. Der Bund sei aufgefordert die Betriebskostenfinanzierung der Uniklinika anzupassen, sagt Stefan Teufel, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. So sieht das auch Teufels Fachkollegin von den Grünen, die Freiburgerin Bärbl Mielich: der Bund sei gefordert.

Von einer unternehmerischen Idee, einem eigenen Weg aus der wachsenden Krise redet in Baden-Württemberg, wo sich das Wissenschaftsministerium um Medizin und Forschung und das Finanzministerium um die Baukräne kümmert, niemand. Dazwischen: die teilweise sehr selbstbewussten Klinikdirektoren. Der CDU-Abgeordnete Teufel immerhin nennt das Nebeneinander der Kompetenzen‚ „nicht hilfreich“, Bärbl Mielich spricht von einer „blöden Aufsplittung“.

Viele Klinikbeschäftigte äußern dagegen die Besorgnis, dass am Ende gar niemand den finanziellen Niedergang der Uniklinika aufhalten wird. In Kreisen privater Klinikkonzerne wird schon lange konstatiert, Baden-Württemberg habe, gemessen am Patientenaufkommen der Zukunft, mindestens ein Universitätskrankenhaus zu viel. Mit dem Gedanken, sagt die Grüne Mielich, habe sie sich noch nie beschäftigt.

Die Bilanzen der Uniklinika im Überblick

Alle vier Unikliniken in Baden-Württemberg stehen unter starkem finanziellen Druck. Während Ulm mit Kreditmarktschulden und hohem Defizit kämpft, haben die Häuser in Heidelberg, Tübingen und Freiburg das Jahr 2013 mit einer „schwarzen Null“ oder leichtem Plus beendet– in unterschiedlicher Höhe.

Die Kooperationen laufen in Heidelberg zufriedenstellend

Heidelberg

Das Heidelberger Klinikum hat auch im vergangenen Jahr wieder einen leicht positiven Abschluss vorgelegt. Bei einem Umsatz von 930 Millionen Euro wurde ein Gewinn von 2,6 Millionen Euro erzielt. Die Personalkosten betrugen 550 Millionen Euro. Die Zahl der vollstationären Fälle ist erneut gestiegen und lag 2013 bei 64 000. Ambulant gab es mehr als eine Million Patientenkontakte. Damit gehöre Heidelberg „zu den größten und leistungsstärksten Uniklinika bundesweit“, erläutert die Kaufmännische Direktorin des 2200-Betten-Hauses, Irmtraut Gürkan. Zugleich habe sich aber auch hier der finanzielle Druck weiter erheblich verstärkt, stellte sie fest. Die Einführung medizinischer Innovationen werde immer schwieriger, da die Refinanzierung oft nicht gesichert sei. Auch für dringend nötige Sanierungen gebe es keine ausreichenden Mittel. Eine wesentliche Grundlage der positiven Bilanz sei die enge Kooperation der Heidelberger Hochschulmediziner mit etlichen Krankenhäusern in der Region, die inzwischen bis nach Hessen reicht. Die Strategie der Zusammenarbeit erlaube es, das ganze Spektrum der Versorgung anzubieten und Doppelstrukturen zu vermeiden. Im Uniklinikum könne man sich dabei „ganz auf die Hochleistungsmedizin konzentrieren“, ohne dass Lücken für die Patienten entstünden, sagte Gürkan. Dies spiegle sich auch im hervorragenden internationalen Abschneiden der Transplantationsmedizin wieder. 2013 sei das Klinikum mit 109 Lebertransplantationen führend in den bei Eurotransplant zusammengeschlossenen Ländern gewesen. „Die in Deutschland gesunkene Bereitschaft zur Organspende hat sich bei uns glücklicherweise nicht ausgewirkt“, stellte sie fest.

Tübingen tritt bei den Personalkosten auf die Bremse

Tübingen

Nach Verlusten von 4,5 und 2,6 Millionen Euro in den Jahren 2011 und 2012 meldet das Universitätsklinikum Tübingen (UKT) für 2013 einen Überschuss von 854 000 Euro. „Wir sind sehr froh, dass wir dieses Ergebnis erreicht haben“, sagt die Kaufmännische Direktorin des UKT, Gabriele Sonntag. Sie spricht angesichts eines Gesamtumsatzes aus dem Krankenhausbetrieb von 491 Millionen Euro dennoch nur von einer „schwarzen Null“. Die kam auch nur zustande, „weil wir zuletzt bei den Personal- wie den Sachkosten ganz extrem auf die Bremse getreten haben“. Zum Ergebnis trug bei, dass Stellen, die im Pflegebereich besetzt werden sollten, nicht besetzt werden konnten. Den aktuellen Tarifabschluss sieht sie als Bürde, „die uns für 2014 auferlegt wurde“. Das Dilemma bestünde darin, dass einerseits die Personalkosten begrenzt werden sollten, andererseits würden die Pflegeberufe immer unattraktiver. „Die Mitarbeiter sind bereits heute in vielen Bereichen extrem belastet“, sagt Sonntag. Bei Kürzungen gehe es an Leistungen. 9000 Mitarbeiter beschäftigt das UKT, 69 000 Patienten waren 2013 stationär aufgenommen worden. 345 000 Neuzugänge wurden ambulant behandelt.

Auch hohe Bau- und Sanierungskosten belasten das UKT. So soll das Crona-Klinikum in den nächsten zehn Jahren von Grund auf saniert werden. Gabriele Sonntag nennt als grundsätzliches Problem, dass sich Forderungen bei der Krankenhausfinanzierung an den Bund richten, Forderungen nach Geld für Investitionen und eine Linderung der Belastungen durch den Solidarpakt dagegen ans Land.

Ulm ächzt unter der angespannten Situation

Ulm

Auf ein böses Jahr 2012 folgte ein noch böseres: das gilt innerhalb der Belegschaft der Uniklinik Ulm als gesichert. Nach einem Verlust von rund 15 Millionen Euro wird nun über einer Fehlsumme bis zu 40 Millionen Euro spekuliert. Dazu drücken hohe Kreditmarktschulden. Nur der neue kaufmännische Geschäftsführer Joachim Stumpp, seit Jahresbeginn im Amt, sagt nichts. „Aufgrund der besonderen Situation in Ulm können wir die Jahresabschlusszahlen leider noch nicht nennen“, lässt der Manager über die Pressestelle ausrichten. Offenbar verweigert bisher der Aufsichtsrat, dem neuerdings die vormals für Tübingen zuständige Grüne Simone Schwanitz vorsitzt, dem Jahresabschluss 2013 die Genehmigung. Schwanitz gilt als rechte Hand der Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Von zähen, bisher erfolglosen Verhandlungen über eine Schuldenübernahme des Landes ist innerhalb des Klinikbetriebs die Rede. Und dann schwebt da noch das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Ulm gegen früheres Leitungspersonal, unter anderem wegen des Verdachts der Untreue und der Vorteilsnahme im Zusammenhang mit dem Bau einer neuen chirurgischen Klinik. Seit Wochen ächzt der der gesamte Betrieb unter einem Personal- und Sachmittelstopp. Nach einer Wende zum Guten sieht es auch 2014 nicht aus.

Positives Ergebnis in Freiburg

Freiburg

In der Universitätsklinik Freiburg (UKF), dem drittgrößten Klinikum in Deutschland, arbeiten etwa 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 1200 Ärztinnen und Ärzte sowie mehr als 2900 Pflegekräfte. Sie versorgen pro Jahr mehr als 64 000 Patientinnen und Patienten stationär sowie rund 580 000 Fälle ambulant. Die UKF schloss das Geschäftsjahr 2012 nach eigenen Angaben mit einem positiven Ergebnis von 3,8 Millionen Euro ab. Dies bedeutete einen Rückgang im Vergleich zum Vorjahr um rund 1,6 Millionen Euro. Die Erlöse aus Krankenhausleistungen gingen zurück, die ambulanten Leistungen stiegen dagegen um 3,8 Millionen Euro. Die Personalkosten stiegen 2012 um rund 7,3 Millionen Euro auf insgesamt 371,7 Millionen Euro. Die Sach- und Materialaufwendungen beliefen sich auf 137,4 Millionen Euro und sanken demnach im Vergleich zu 2011 um 5,1 Millionen Euro. Die Zahlen für das Geschäftsjahr 2013 sind noch nicht offiziell bekannt, aus der Klinik war zu erfahren, dass dem Aufsichtsrat wohl eine Bilanz mit einem Ergebnis zwischen zweieinhalb und drei Millionen Euro vorgelegt werden wird. Der Vorstandschef Jörg Rüdiger Siewert (74) muss einen „hohen Modernisierungsbedarf bei den Altbauten“ angehen, kann aber auf ansehnliche Rücklagen zugreifen. Als vordringlich wird der Neubau einer Kinderklinik angesehen.