Homeschooling, Bewerbungen schreiben oder Kontakt zur Familie halten: In den Unterkünften im Kreis Ludwigsburg waren diese Dinge während des Lockdowns mangels WLAN-Verbindung schwierig. Ehrenamtliche Helfer und die Grünen fordern Verbesserungen.

Politik: Lisa Kutteruf (lis)

Landkreis Ludwigsburg - Keine Schule, keine Integrationskurse, kein Internet: Die Bedingungen, mit denen sich geflüchtete Menschen in den Hochzeiten der Corona-Krise im Landkreis Ludwigsburg arrangieren mussten, waren schwierig, wie Ehrenamtliche berichten. Sie wünschen sich von der Politik schnelle Lösungsansätze. Als grundlegend sehen sie dabei die Ausstattung der Unterkünfte mit WLAN an.

 

„Da sich viele Geflüchtete, die Arbeit hatten, in prekären Arbeitsverhältnissen befanden, wurden und werden sie als Erste entlassen“, sagt Martha Albinger von der Caritas in Ludwigsburg. Sie ist zuständig für das Ökumenische Forum Asyl, das mehr als 50 Arbeits- und Freundeskreise im Kreis vereint. „Es fanden keine Integrationskurse statt, so dass das Lernen der Sprache stagnierte“, sagt sie. Die Kinder seien – wie andere benachteiligte Kinder und Jugendliche – in besonderer Weise von den Schulschließungen betroffen gewesen, sagt Albinger. Es habe an Laptops gefehlt und am notwendigen technischen Verständnis. Dazu seien die engen Wohnverhältnisse gekommen, die Homeschooling schwierig machten.

Ständchen mit dem Akkordeon

Dabei mussten offenbar viele Flüchtlinge ohne funktionierendes WLAN auskommen – was neben dem Homeschooling auch das Schreiben von Bewerbungen oder die Suche nach einer Wohnung erschwerte. Der Arbeitskreis Asyl hat sich deshalb bereits an das Landratsamt gewandt.

Doch die Chancen, dass es in den Gemeinschaftsunterkünften des Kreises bald ein funktionierendes WLAN-Netz gibt, stehen offenbar schlecht. Nach Angaben des Sprechers Andreas Fritz gibt es in den Unterkünften WLAN-Netze. Ein flächendeckendes Netz, das teilweise auf mobilen Datenströmen basiert, habe sich aber als zu kostenintensiv erwiesen, weshalb der Internetzugang stattdessen nur punktuell an sogenannten Hotspots möglich sei. Diese Zugänge funktionieren Fritz zufolge auch, die Datenmenge ist aber begrenzt. Die Einrichtung von WLAN-Netzen, die sich über die gesamte Fläche der Unterkünfte erstrecken, sei aufgrund des hohen baulichen Aufwandes außerdem „nur mit entsprechend unverhältnismäßig hohem Kostenaufwand möglich“, sagt Fritz. Dazu komme, dass die technischen Voraussetzungen an manchen Standorten nicht gegeben seien. Die Stadt Ludwigsburg wiederum prüft derzeit, ob sich WLAN-Netze in den Unterkünften der Anschlussunterbringung realisieren lassen. Ausschlaggebend dafür war ein entsprechender Antrag der Ludwigsburger Grünen-Fraktion.

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Nachdem die Ehrenamtlichen im Frühjahr von ihren Schützlingen getrennt waren, sind die Unterkünfte im Kreis mittlerweile unter den üblichen Abstands- und Hygieneregeln wieder geöffnet. Das Forum Asyl ist dabei, eine Lernoffensive für benachteiligte Kinder und Jugendliche zu starten, um die Defizite aus der Corona-Hochphase aufzuarbeiten.

Bereits jetzt gibt es wieder Lernangebote, die aber offenbar nur spärlich genutzt werden. Albinger rechnet damit, dass spätestens im Oktober, wenn der Schulunterricht Wissenslücken zwangsweise zutage fördert, ein großer Unterstützungsbedarf vorhanden sein wird. Deshalb sucht das Forum noch kreisweit nach Ehrenamtlichen, die Schüler beim Lernen unterstützen. Auch Menschen, die bei technischen Dingen wie der Einrichtung von Programmen oder des Internets unterstützen können, werden gebraucht.

Kommunalpolitik befasst sich mit Sicheren Häfen

Albinger ruft die Bundesrepublik dazu auf, unbegleitete Kinder aus den Flüchtlingslagern in Griechenland aufzunehmen – eine Forderung, die auch Ludwigsburger Initiativen wie die Lokalgruppe des Kinderhilfswerks Terre des hommes stellen. Tatsächlich stand das Thema, mehr Menschen aufzunehmen, in den vergangenen Wochen mehrfach in der Kommunalpolitik zur Debatte.

So haben sich die Städte Ludwigsburg und Bietigheim-Bissingen jüngst zu sogenannten Sicheren Häfen erklärt. Unter diesem Titel solidarisieren sich Städte, Gemeinden oder Landkreise mit der Bewegung Seebrücke. Diese setzt sich seit Juli 2018 für Geflüchtete, Bewegungsfreiheit und ein offenes Europa ein. Manche Kommunen erklären sich in diesem Zuge bereit, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, als sie es der Quote zufolge müssten.

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Der Punkt, Menschen zusätzlich zur Quote direkt aufzunehmen, fand im Bietigheimer Gemeinderat keine Mehrheit. Die Grün-Alternative Liste (GAL), die den Antrag eingebracht hatte, verbucht das Bekenntnis zum Sicheren Hafen dennoch als Erfolg. „Wir hätten uns zwar noch mehr gewünscht. Ich bin aber trotzdem froh und dankbar, dass wir als Stadt diesen kleinen Schritt gemacht haben“, sagt Stadträtin Simone Oehl.

Die Initiative Seebrücke benennt elf Punkte, zu denen sich Sichere Häfen bekennen können. Die Räte in Bietigheim konnten sich letztlich auf zwei davon einigen – die Solidarisierung mit den Zielen der Initiative und darauf, alle Handlungen, durch die die Stadt zu einem Sicheren Hafen wird, zu veröffentlichen.

Ludwigsburg ist bereit, zusätzliche Menschen aufzunehmen

Der interfraktionelle Antrag von Grünen, SPD, der Linken und des Bündnisses der Vielfalt in Ludwigsburg war in dieser Hinsicht erfolgreicher: Die Stadt erklärt sich bereit, auch Menschen zusätzlich aufzunehmen – wie viele, bleibt aber offen. Die Grünen-Stadträtin Arezoo Shoaleh spricht von einem „kleinen Schritt in die richtige Richtung“. Die FDP hatte den Antrag als überflüssig bezeichnet. Auch ohne das Bekenntnis zu einem Sicheren Hafen werde die Stadt ihrer Verantwortung gegenüber den Flüchtlingen „mehr als gerecht“, wie es der FDP-Stadtrat Johann Heer ausdrückte.

Im Ludwigsburger Kreistag wiederum wurde ein entsprechender Antrag der Grünen in der ersten Fassung abgelehnt und letztlich ohne konkrete Zugeständnisse in einer „Softvariante“ beschlossen, sagt die Grünen-Fraktionsvorsitzende Brigitte Muras. Der Kreistag einigte sich auf einen Appell an die Kommunen, sich mit dem Thema Sichere Häfen zu befassen.