Gleich doppelt ließ sich ein oberschwäbischer Firmenchef zum „Senator“ küren. Von seinem Ärger mit der Justiz erzählte er nichts. Nun legt er die Ämter nieder – FDP-Mitglied aber bleibt er. Zu etwaigen Spenden schweigt die Partei.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - An seine Mitglieder stellt der „Senat der Wirtschaft“ hohe ethisch-moralische Anforderungen. Es seien Persönlichkeiten, „die sich ihrer Verantwortung für Staat und Gesellschaft in besonderer Weise bewusst sind“, betont die Lobby-Organisation mit Sitz in Bonn. Man erwarte daher, dass sie „jederzeit geltendes Recht“ einhielten. Durch die „Vorbildfunktion“ der höchstens 631 Senatoren – abgeleitet von der Zahl der Bundestagsmandate – wolle man schließlich „ein positives Bild von Unternehmen und Führungskräften der Wirtschaft“ fördern.

 

Ähnlich hehre Töne erklingen beim Bundesverband Deutscher Mittelstand in München, der ebenfalls „Senatoren“ kürt. Zusammensetzung und Niveau des gut 100-köpfigen Gremiums seien „Garant für integre Persönlichkeiten“, heißt es dort. Man erwarte von allen Mitgliedern „untadeliges Verhalten“, Leitbild sei der „ehrbare Kaufmann“.

Walter Döring jeweils in führender Rolle

In beiden Organisationen, die sich durch stattliche Mitgliedsbeiträge finanzieren, spielte oder spielt der frühere baden-württembergische Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP) eine führende Rolle. Beim Bonner Senat ist er Vorsitzender der Gremien für Europa und Außenwirtschaft, in München firmierte er bis vor Kurzem als Präsident, unterhalb des „Exekutivpräsidenten“. Aus persönlichen Gründen, heißt es, habe er das Amt inzwischen abgegeben.

Gleich doppelt Senator war ein Unternehmer aus Oberschwaben mit bestem Draht zu Döring: Christian H., Chef einer mittelständischen Unternehmensgruppe aus dem Kreis Ravensburg, die ihr Geld mit Personalvermittlung, Brennholzhandel und anderen Aktivitäten verdient. Zudem organisierte H. viel beachtete Foren mit Prominenten aus Politik, Wirtschaft und Sport. Besonders oft holte der FDP-Mann Spitzenliberale nach Oberschwaben – vorneweg Bundeschef Christian Lindner, aber auch Landesgrößen wie Michael Theurer oder Hans-Ulrich Rülke. Der Ex-Minister Döring diente H. als Beiratsvorsitzender – bis zu seinem abrupten Rückzug im Frühjahr. Da nämlich wurde durch StZ-Recherchen bekannt, dass der Unternehmer im Juli in Ravensburg vor Gericht muss. Nach jahrelangen Ermittlungen – von denen fast niemand wusste – ist er wegen Steuerhinterziehung, Betrugs, Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Markenrechtsverstößen angeklagt.

Keine Ahnung von den Ermittlungen

Seither haben die beiden Senate ein Problem. Als sie H. in den Jahren 2014 und 2015 kürten, erfuhren sie nichts von dessen Ärger mit der Justiz. „Sehr stolz“ zeigte sich der Firmenchef bei der Übergabe der einen Urkunde, „große Freude und Ehre“ empfand er beim Empfang der anderen. Vor der Berufung sei er „ausführlich geprüft“ worden, verlautet aus München, in Bonn wird auf mehrere Empfehlungen aus der Region verwiesen.

Von den damals bereits weit fortgeschrittenen Ermittlungen hätten die Organisationen natürlich gerne gewusst. Bis zu einer Klärung der Vorwürfe erfolge in solchen Fällen keine Berufung, hieß es bei beiden. Bei bereits berufenen Senatoren empfehle man, die Mitgliedschaft ruhen zu lassen. Zugleich betonten sie die hohe Bedeutung der Unschuldsvermutung: Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gelte jeder als unschuldig, eine Vorverurteilung verbiete sich.

Zum Abschied noch ein Lob

Aufgeschreckt durch die Medienrecherchen erbaten beide Senate bei H. eine Stellungnahme – „mit kurzer Frist“, wie in München unterstrichen wird. Danach werde das Präsidium entscheiden. In Bonn hieß es zunächst, der Unternehmer habe mitgeteilt, dass er die Mitgliedschaft ruhen lasse; bei einer rechtskräftigen Verurteilung werde er sie aufgeben. Doch inzwischen hat der Firmenchef, der sich auf Anfragen unserer Zeitung nicht äußerte, Fakten geschaffen: die beiden Senatoren-Mandate legte er rückwirkend für März „schriftlich nieder“. Das Präsidium habe dem kürzlich einstimmig zugestimmt, heißt es beim Mittelstandsverband, damit sei der Vorgang erledigt. Man danke H. für seinen „Einsatz für die Klein- und Mittelbetriebe“, besonders bei seinen Foren. Aus Bonn gab es keinen weiteren Kommentar.

Weiterhin Mitglied ist H. hingegen bei der FDP. Er gehöre der Partei seit Januar 2016 an, hieß es in der Landeszentrale. Von den Ermittlungen habe man nichts gewusst. Bei der Aufnahme von Neumitgliedern gehe man „von deren Rechtschaffenheit aus“ und stelle keine konkrete Fragen. Zudem gelte die Unschuldsvermutung, gerade „für eine Rechtsstaatspartei“. Offen ließ ein Sprecher, ob und in welcher Höhe H. an die FDP gespendet habe. Man habe von ihm und seiner Firmengruppe „keine veröffentlichungspflichtigen Spenden erhalten“. Unterhalb der dafür geltenden Grenze – 10 000 Euro – dürfe man keine Auskunft geben. Ob eine Rückzahlung von Geldern erwogen werde? „Diese Frage“, antwortete die Partei, „stellt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht.“