Die Baubranche gerät zunehmend unter Druck: Zum einen ist die Betonherstellung klimaschädlich, zum anderen fehlen Baustoffe. Ein Baustoff-Recycler aus Filderstadt erklärt, welchen Beitrag sein Geschäftsmodell leisten kann.

Filderstadt - Der Wohnraum in Deutschland wird immer knapper. Gerade in Großstädten fehlt es an bezahlbaren Sozialwohnungen, was Miet- und Kaufpreise rasant in die Höhe steigen lässt. Um dem entgegenzuwirken, müsste man hierzulande bis zum Jahr 2025 etwa 1,5 Millionen neue Wohnungen bauen, teilte der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, mit. Aber der Hausbau ist teuer. Und er bringt noch ein weiteres Problem mit sich: Er ist ein Klimasünder.

 

Große Auswirkungen aufs Klima

Vergangenes Jahr errechnete das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), dass die Bau- und Betriebskosten von Häusern in Deutschland im Jahr 2014 ein Drittel der inländischen Treibhausemissionen ausgemacht haben. Besonders Zement fiel dabei buchstäblich ins Gewicht. Bei der Herstellung von einer Tonne entstehen rund 600 Kilogramm Kohlendioxid. Dieser Rohstoff wird zusammen mit Wasser, Sand und Kies dafür benutzt, um Beton herzustellen, womit in Deutschland gerne gebaut wird.

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: „Ein Neubau muss auch wieder verschwinden können“

Bereits in der vergangenen Legislaturperiode sprach sich aber der damalige Amtschef des Umweltministeriums von Baden-Württemberg, Helmfried Meinel, dafür aus, dass man diesen Baustoff im großen Stil mehrfach nutzen sollte, da die herkömmliche Betonherstellung für sechs bis acht Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich sei. Die Lösung hierfür könnte Urban Mining sein – die Stadt als Rohstofflager. Dabei bekommen, vereinfacht gesagt, Rohstoffe wie beispielsweise Stahl, Sand oder eben Beton ein zweites Leben und werden nicht zu Abfall. Also dort, wo alte, marode Häuser oder ausgediente Fabrik- und Lagerhallen abgerissen werden.

Recycelte Materialien am besten gleich vor Ort wieder verwenden

Die Firma Wacker aus Filderstadt hat sich auf diese Art von Baustoff-Recycling spezialisiert. Mit sogenannten Brechanlagen und Prallmühlen zerkleinert Wacker Materialien wie Beton, Bauschutt, Naturstein oder Asphalt, um sie dann auf Deponien für spätere Bauprojekte zu lagern. Mit ihren mobilen Maschinen werben sie außerdem dafür, dass die recycelten Materialien sogar vor Ort wiederverwendet werden können. So würde man einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz und zur Ressourcenschonung beitragen, aber: „Diese Prozedur ist noch nicht gängig in Deutschland, da noch viel Bauschutt ins Ausland zur Aufarbeitung verfrachtet und dann wieder importiert wird“, sagt der Geschäftsführer Oliver Wacker.

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: „Wir haben bereits genügend Einfamilienhäuser“

Gerade in Ballungsgebieten würde es an Deponien mangeln, auf denen man recyceln und die Wege zu den Baustellen kurz halten könnte. Beim Thema Recycling würde man im Vergleich zu Nachbarländern, wie der Schweiz, hinterherhinken, so Wacker. „Zwar wird bereits auf vielen Baustellen zum Neubeton rund 60 Prozent Altbeton beigemischt“, sagt er. „Aber meiner Meinung nach fehlt es noch immer an der allgemeinen Akzeptanz von recycelten Materialien.“

Bisher noch hohe Hemmschwelle für recycelte Baustoffe

Seit 30 Jahren ist Oliver Wacker nun im Recycling-Geschäft und kennt die Gründe, warum Bauherren und Ingenieurbüros dem sogenannten Sekundärrohstoff immer noch skeptisch gegenüberstehen. „Für viele ist die Hemmschwelle einfach noch groß, mit diesen Rohstoffen zu arbeiten, da quasi Müll vom Abfallstatus in den Produktstatus zurückversetzt wird.“ Diese Rohstoffe seien aber mindestens genauso gut wie Neuware, da sie den jeweiligen Normen entsprechen müssen. „Zudem sprechen wir hier von einer enormen CO2-Reduzierung sowie Kosteneinsparungen.“

Filderstadts Erster Bürgermeister, Falk-Udo Beck, der das städtische Baudezernat leitet, hat zu gewissen Punkten, was das Thema angeht, eine differenzierte Meinung. „Herr Wacker hat in vielen Punkten Recht“, sagt er. „Was Baustoff-Recycling angeht, denke ich, sind wir in Deutschland wirklich nicht die Schnellsten.“ Die Stadt Filderstadt sei beim Urban Mining grundsätzlich aufgeschlossen, bei Bauprojekten habe man immer den Klima- und Artenschutz im Blick, erklärt er.

„Die Ansprüche beim Gebäudebau sind nun mal sehr hoch und müssen vielen Qualitätsstandards und Normungen entsprechen“, sagt der Baubürgermeister Beck. „Beim Urban Mining gibt es leider noch keinen einheitlichen Standard, weswegen man keine Garantie für beispielsweise Festigkeit von bestimmten Materialien gibt.“ Dies sei mit der Antriebswende beim Auto zu vergleichen. „E-Autos finden immer mehr Zuspruch in der Gesellschaft, aber ausgereift ist die Technologie noch nicht.“