Karl und Monika Ramminger haben mehr als 30 Jahre lang das Stuttgarter Nachtleben geprägt: In ihrem Gutshof am Stöckach spielten Schlagerstars zum Tanz auf. Wie Bata Illic, Howard Carpendale, Costa Cordalis, Paola oder Ramona.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Wenn die Türe aufgeht, und ein Gast kommt herein, das war für Karl Ramminger immer der schönste Augenblick. In den Urlaub ist er mit seiner Frau Monika praktisch nie gefahren, höchstens mal drei Tage an den Bodensee oder den Tegernsee. „Beschäftigung ist gesünder als alles andere“, sagt er. Als 16-Jähriger begann er seine Lehre zum Koch und Restaurantfachmann, und erst jetzt, 70 Jahre später, setzte er sich zur Ruhe. Die Weinstube Zum Tröpfle in Stuttgart-Zuffenhausen sperrten Karl und Monika Ramminger Ende Januar zu. Was bleibt, sind die Erinnerungen an ihr legendäres Tanzrestaurant Gutshof und ihr urig-schwäbisches Lokal. Die beiden haben Stuttgarter Gastronomiegeschichte erlebt und selbst geschrieben.

 

Das erste Tanzcafé hieß Eldorado

Seiner Mutter hatte er schon als Zwölfjähriger in ihrer Baustellenkantine geholfen. Nach der Schule lag die Gastronomie deshalb nahe. Im Hindenburgbau absolvierte er seine Ausbildung, wo damals auf zwei Etagen in vier Lokalen mit 2400 Sitzplätzen gegessen, getrunken und getanzt wurde. Im Februar 1956 zog es Karl Ramminger zu Stuttgarts Architektursensation: Er wechselte zum Fernsehturm. Aber er wollte noch höher hinaus und ging zum Flughafen. Die Bordverpflegung trug er damals auf dem Tablett übers Rollfeld direkt zum Flieger. Aber sein Bruder Willi legte 1958 mit dem Tanzcafé Eldorado in Feuerbach los, und acht Jahre später eröffneten sie in einem ehemaligen Kino an der Hackstraße den Gutshof. Zu diesem Zeitpunkt waren Karl und Monika Ramminger zwei Jahre verheiratet, und aus der Telefonistin vom Fernmeldeamt wurde ebenfalls eine Wirtin.

Der Gutshof war von Anfang an ein Erfolg

So ein Tanzrestaurant hatte es in der Stadt zuvor noch nicht gegeben. Um 18 Uhr wurde geöffnet, die Mutter machte den Kartoffelsalat und die Fleischküchle, „Grillhähnchen waren damals der große Renner“, erinnert sich Karl Ramminger. Auch seine Schwester arbeitete in dem Familienbetrieb mit. Täglich spielte eine Kapelle auf, alle vier Wochen eine andere. Rund 200 Leute passten in das rustikale, mit einer Pferdekutsche dekorierte Lokal. Sie bekamen Costa Cordalis, Cindy und Bert, eine junge Paola, Howard Carpendale und allein 50-mal Bata Illic zu sehen und zu hören. Der Schauspieler Gunther Philipp zählte zu den Gästen, Walter Schultheiß, der Prinz von Hohenzollern und später VfB-Spieler wie Fritz Walter. In den 1990er Jahren veranstalteten sie einen Abend nur für Paare, die sich im Gutshof kennengelernt hatten. „Es war eine schöne Zeit“, sagt Monika Ramminger. „Es war von der Eröffnung an ein Erfolg“, ergänzt ihr Mann.

Nach drei Jahrzehnten Umzug ins Tröpfle

Mehr als drei Jahrzehnte lang spielte im Gutshof die Musik, bis 1998 Stille einkehrte. Das Ehepaar übernahm die von Bruder Willi 1984 eingerichtete Weinstube Zum Tröpfle. „Wenn ein Wirt auf einer Wirtschaft lange bleibt, werden die Gäste mit ihm älter“, erklärt Karl Ramminger die Regeln der Gastronomie. Er und seine Monika und ihre Kundschaft passten mit Ende 50, Anfang 60 viel besser zum Viertele, zu Rostbraten, Sauerbraten und saure Nierle, die die 82-Jährige bis zum Schluss in Zuffenhausen kochte. „Sie ist da reingewachsen“, sagt ihr Mann. Die vergangenen zwölf Jahre hatten sie dort sogar jeden Tag geöffnet. Die schlimmste Zeit waren für die Rammingers die Corona-Lockdowns, als die Türe zubleiben musste und niemand mehr hereinkommen durfte. Da begannen sie mit To-go-Verkauf, „das hat es früher nicht gegeben“, sagt der 86-Jährige. Überhaupt hatte früher kaum jemand eine Ahnung vom Geschäft und der Gastronomie. Dass sich die Familie so lange mit ihren Betrieben behauptet hat, macht Karl Ramminger stolz. „Es war eigene Anschauung und Wollen“, erklärt er den Erfolg.

Der allerschönste Moment für den Wirt

In die Rente zu gehen, kam ihm und seiner Frau nie in den Sinn. Was macht man, wenn man auf einmal zuschließt?, hat er sich immer gefragt. Das Urgestein der Stuttgarter Gastronomie macht sich nichts vor: Er wird alles aus seinem Berufsleben vermissen. „Aber jetzt habe ich ein Alter erreicht, in dem kann man nicht mehr viel umdrehen“, sagt Karl Ramminger, „jetzt mache ich leicht zu.“ Im Tröpfle saß er zuletzt immer am gleichen Platz, den Eingang direkt im Blick. Denn es gibt nämlich noch einen schöneren Moment als den für den Wirt schönsten Augenblick: Wenn die Türe aufgeht und ein Gast hereinkommt, der schon einmal da war.