Der Besuch von Ursula von der Leyen in Kiew kommt zu spät und wirkt mutlos, kommentiert Ulrich Krökel.

Es war richtig, dass EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nach Kiew gereist ist. Sie hat damit ein wichtiges Zeichen der Solidarität mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und der ukrainischen Nation gesetzt. Dennoch: Für ein wirklich starkes Signal kam der Besuch zu spät. Den besten Zeitpunkt erwischten Mitte März die Regierungschefs von Polen, Tschechien und Slowenien. Sie fuhren unter russischem Beschuss nach Kiew und trafen Selenskyj in seinem Bunker. Nun sind Putins Truppen weg – und die EU-Delegation traut sich dorthin. Das klingt nicht nur mutlos. Es ist auch halbherzig wie so vieles in Brüssel. Je länger der Krieg andauert, desto stärker setzen sich die üblichen Einzelinteressen durch. Und das betrifft keineswegs nur den ungarischen Premier und Putin-Vertrauten Viktor Orbán.

 

Viel schwerer wiegt die deutsche Bremserrolle. Neinsagen ist noch keine Politik. An erkennbaren Wendepunkten der Geschichte sind politischer Mut, Gestaltungswille und Kreativität gefragt. Hätte Bundeskanzler Helmut Kohl 1989/90 derart zögerlich gehandelt, wie es die EU und die Bundesregierung heute tun, gäbe es wahrscheinlich noch immer zwei deutsche Staaten.