Vor anderthalb Jahren überfährt ein junger Mann in Markgröningen eine 81-Jährige – ungebremst. Die Frau stirbt an der Unfallstelle. Welche Schuld trifft den Autofahrer, der zu schnell unterwegs war?

Ludwigsburg - Es ist gegen 19 Uhr an einem Dienstag im Dezember 2017. Eine Veranstaltung in der Orthopädischen Klinik in Markgröningen ist gerade zu Ende. Eine Frau will schnell nach Hause, durch die Dunkelheit läuft sie in Richtung der Bushaltestelle an der Asperger Straße. Einige Meter die Straße runter ist eine Ampel für Fußgänger, doch die 81-Jährige geht diesen kleinen Umweg nicht. Sie läuft auf die Fahrbahn – ohne auf den Renault zu achten, der von rechts kommt.

 

Die Frau wird mit der Stoßstange erfasst, dann bricht das Glas im linken Scheinwerfer durch den heftigen Aufprall. Die 81-Jährige wird auf die Windschutzscheibe geworfen, auch dort springt das Glas. Zeugen sagen später, die Seniorin sei förmlich „durch die Luft geflogen“. Als der Fahrer seinen Twingo stoppen kann, ist die Frau bereits tot.

Tempo 75 statt der erlaubten 60 Stundenkilometer

Was an jenem Abend vor anderthalb Jahren geschehen ist, haben Polizei und Staatsanwaltschaft bis ins Detail ermittelt. Das Ludwigsburger Amtsgericht musste sich am Mittwoch damit auseinandersetzen, warum der tödliche Unfall im Jahr 2017 geschehen konnte. Angeklagt war ein heute 28-Jähriger aus Schwieberdingen, der Vorwurf gegen ihn lautete auf fahrlässige Tötung.

Der junge Mann habe, so die Anklage, den Unfall und damit auch den Tod der 81-Jährigen verhindern können, wenn er besser auf die Straße geachtet hätte – und wenn er langsamer gefahren wäre. Denn obwohl auf der Strecke ein Tempolimit von 60 gilt, hatte der Industriemechaniker mindestens 75 auf dem Tacho, wie ein Gutachter im Auftrag der Staatsanwaltschaft herausgefunden hat. Wie der Experte ebenfalls berechnet hat, prallte der Twingo ungebremst mit der Frau zusammen – so spät reagierte der Fahrer offenbar.

Noch kurz vor dem Unfall hatte der Angeklagte eine Ford-Fahrerin überholt. Gerast sei der Angeklagte dabei nicht, sagte die Frau vor Gericht.

Die Strecke war schlecht beleuchtet

Der sichtlich mitgenommene Angeklagte wollte sich selbst nicht zu den Vorwürfen äußern. Sein Verteidiger hielt es für ausgeschlossen, dass der Mann den tödlichen Aufprall hätte verhindern können: Zu schlecht seien die Sichtverhältnisse in der Dunkelheit gewesen, zudem war das Unfallopfer dunkel gekleidet.

Vor allem aber habe sein Mandant nicht damit rechnen können, dass die Frau die Straße komplett überqueren würde, obwohl eine Ampel für die Autofahrer auf Grün stand – und obwohl es einen breiten Mittelstreifen gibt, auf dem die Frau hätte anhalten können, um die herannahenden Autos, die in Richtung Asperg fuhren, passieren zu lassen. Der Anwalt forderte daher, den 28-jährigen Renault-Fahrer freizusprechen: „Er leidet selbst am meisten unter dieser Geschichte.“

Die Frau lief ohne zu schauen über die Straße

Laut Zeugen lief die 81-Jährige damals ohne nach links oder rechts zu schauen über die dunkle, schlecht beleuchtete Landstraße. Manche einer sprach sogar davon, sie sei über die Fahrbahn gerannt, wohl, um den Bus zu erreichen. Warum die Frau nicht die nur wenige Meter entfernte Fußgängerampel nutzte, konnte keiner der damaligen Passanten beantworten – auch das Amtsgericht fand in seinem Urteil keine Antwort darauf.

Die Richterin Andrea Henrich verhängte eine sechsmonatige Bewährungsstrafe gegen den Schwieberdinger. Sie war der Meinung, dass er den Unfall hätte verhindern können. Zudem ist der Mann einschlägig vorbestraft. Neben der Freiheitsstrafe muss er 4000 Euro an gemeinnützige Einrichtungen zahlen. Seinen Führerschein darf der Angeklagte behalten, auch ein Fahrverbot droht ihm nicht.