Ein Jahr lang ist im „Anglersee-Mordprozess“ verhandelt worden. Am Mittwoch ist der Prozess am Landgericht Ulm zu Ende gegangen. Der 47-jährige Angeklagte, der einen 19-Jährigen mit einem Hammer erschlagen und in einem See versenkt hat, muss dafür lebenslang in Haft.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Rund 40 Minuten hat der Ulmer Richter Gerd Gugenhan am Mittwoch gesprochen – verhältnismäßig wenig Zeit in einem Mordprozess, der sich über ein Jahr zog und 34 Verhandlungstage in Anspruch nahm. Das Urteil ließ dafür keinerlei Interpretationsspielraum offen. Der 47 Jahre alte, aus Albanien stammende Angeklagte wurde schuldig gesprochen, im April 2017 einen damals 19 Jahre alten Landsmann an einem Anglersee bei Erbach (Alb-Donau-Kreis) mit mindestens acht Hammerschlägen auf den Kopf getötet und die Leiche versenkt zu haben.

 

Wegen Mordes wurde gegen den 47-Jährigen, der bis zu seiner Verhaftung eine Waschstraße in Göppingen betrieb, eine lebenslange Gefängnisstrafe ausgesprochen. Ein ebenfalls aus Albanien stammender Mittäter ist bis heute flüchtig.

Der Prozess war auf Indizien aufgebaut

So viel Klarheit war nicht unbedingt zu erwarten in einem Prozess, der mangels Tatzeugen ganz auf Indizien aufgebaut war. Doch für das Gericht ergaben die vielen Hinweise aus der Befragung von 60 Zeugen, zehn Sachverständigen, aus der Auswertung von Computer- und Handydateien ein unwiderlegbares Bild der Tat und des Motivs. Es handle sich um „Rache“ in einem bis ins Jahr 2000 zurückreichenden tödlichen Streit zwischen zwei Familien in Albanien, in dessen Folge der 19-Jährige der fünfte Tote sei. Alles deute auf den „Kanun, das Gesetz der Berge“ hin, sagte Gugenhan. Nach diesem Gewohnheitsrecht aus dem Mittelalter wird zwischen verfeindeten Familien Blut mit Blut vergolten.

Der erste Tote in dieser Reihe war der Großvater des 19-Jährigen. Er wurde am 19. November 2000 mit einer Pistole erschossen. Der 19-Jährige habe mit dieser Ursprungstat nicht das Geringste zu tun, so der Richter, „er war damals ein dreijähriges Kind“. Mit Erreichen der Volljährigkeit sei der junge Mann dann – entsprechend den Regeln des Kanun – wohl Ziel des tödlichen Anschlags bei Erbach geworden.

Die Familie des Mordkomplizen bezahlte 30 000 Euro

Auch der Angeklagte gehört keiner der beiden verfeindeten Familien an, sei aber mit seinem Mittäter etwa durch Freundschaft oder Geld verbunden gewesen, schlussfolgerte das Gericht. So hätten Ermittlungen ergeben, dass aus der Familie des Mordkomplizen schon 2015 rund 30 000 Euro an den Waschanlagenbetreiber gezahlt worden seien – ohne näher bekannten Grund und ohne erkennbare Rückzahlung. Ob die Beteiligung des 47-Jährigen am Mord ein „Auftrag“ gewesen sei oder er aus „Verbundenheit“ gehandelt habe, das sei im Prozess nicht aufzuklären gewesen, hieß es in der Urteilsbegründung.

Die Verteidiger hatten in ihren Plädoyers angeführt, der 19-Jährige sei vermutlich im Zug eines Drogengeschäfts zu Tode gekommen. Ursprünglich hätte an der Erbacher Seenplatte ein „Bunker“ gebaut werden sollen. Dafür sei unter anderem auch eine Plane, die der Angeklagte zuvor neben zwei Paar Handschuhen und Kleberolle gekauft hatte, gedacht gewesen. Das hielt Gugenhan für unglaubwürdig. Erstens sei die Plane zwei mal drei Meter groß gewesen – das hätte schon „eine gigantische Drogenmenge“ sein müssen, so der Richter. Vor allem aber hätte ein Drogenversteck im schwäbischen Erbach keinen Sinn ergeben „für eine Person, die in Steinfurt lebt“. Der Boden in der Nähe der Seen sei feucht und völlig ungeeignet für die Lagerung von Drogen. Dazu seien ständig Angler an den Ufern. Viel zu hoch wäre das „Verlustrisiko“ gewesen. Die Plane, so Gugenhan, sei ebenso wie ein 18 Kilogramm schwerer Betonblock, an den See geschafft worden, um die Leiche des unter Vorwänden hergelockten 19-Jährigen zu verpacken und im Wasser zu versenken. „Das Opfer sollte dauerhaft verschwinden, weitab seines Lebenskreises“, sagte Gugenhan. Dass der Leichnam rund vier Wochen später – wohl durch Gase, die sich innerhalb der luftdichten Verpackung bildeten – wieder an die Wasseroberfläche trieb, sei offensichtlich nicht eingeplant gewesen.

Der Richter lobt die akribische Arbeit der Ermittler

Ausdrücklich lobte der Richter die Arbeit der beim Polizeipräsidium Ulm angegliederten Sonderkommission „See“. Die Beamten hätten „akribisch und detailreich“ ermittelt. Unter anderem wurden im Leichenpaket Eichenblätter gefunden, die per DNA-Analyse einem bestimmten Baum im Seengebiet bei Erbach zugeordnet werden konnten. Und in den USA hatten sich die Ermittler vom Google-Konzern Handydaten des Angeklagten beschafft. So konnte die Polizei rekonstruieren, wann der 47-Jährige im Vorfeld der Tat in welchem Baumarkt war und dass er kurz vor dem Mord zweimal am späteren Tatort gewesen ist.