Den Fall Yücel nimmt der türkische Präsident Erdogan persönlich. Dies spiegelt sich im Urteil wider, kommentiert unsere Korrespondentin Susanne Güsten.

Ankara - Das Urteil gegen Deniz Yücel ist nicht einfach ein Justizskandal – es ist ein politisches Signal der türkischen Regierung. Nach europäischen Rechtsnormen hätte der deutsch-türkische Journalist nie vor Gericht gestellt, geschweige denn ein Jahr lang inhaftiert werden dürfen. Dass Yücel jetzt trotzdem verurteilt und zusätzlich mit zwei neuen Ermittlungsverfahren belegt wurde, zeigt zwei Dinge. Erstens hat sich die Türkei in politischen Verfahren wie dem gegen Yücel endgültig von europäischen Standards verabschiedet. Zweitens liegt der Regierung in Ankara nichts daran, ihren Einfluss auf Richter und Staatsanwälte zu nutzen, um einen Neuanfang mit Berlin oder der EU zu suchen. Die Regierung hätte durch einen Fingerzeig an die Richter ohne Mühe eine versöhnliche Botschaft aussenden können. Doch die Türkei setzt im Innern wie im Äußeren auf Härte.