Die Mutter, die im Herbst 2014 in Köngen ihre beiden kleinen Kinder umgebracht hat, ist am Montagnachmittag am Landgericht zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Die Richter werteten die Taten als zweifachen Mord.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Köngen/Stuttgart - Verzweiflung und Verlustängste, vor allem aber Besitzdenken und Wut auf den Ehemann sind nach Ansicht der Richter die Motive dafür gewesen, dass eine Hausfrau und Mutter vorigen Herbst in Köngen (Kreis Esslingen) ihre beiden kleinen Kinder erstochen hat. Die 41 Jahre alte Frau wurde am Montag am Landgericht zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt. Die Richter der 9. Schwurgerichtskammer werteten die Taten als zweifachen Mord aus Heimtücke.

 

Die Taten hatten im Herbst 2014 große Betroffenheit in der gesamten Region ausgelöst. Das Ehepaar und die sieben und zehn Jahre alten Kinder galten nach außen als Vorzeigefamilie. Man wohnte im großen Eigenheim, finanziell war man wegen des gut dotierten Jobs des Vaters gut aufgestellt, aufopferungs- und liebevoll kümmerten sich die Eltern um die Kinder, denen es offenbar an nichts fehlte.

Ältere Tochter kämpfte um ihr Leben

In der Nacht zum 2. November 2014 ereignete sich in dem Haus aber eine unfasbare Gewalttat. Die Mutter hatte den sieben und zehn Jahre alten Mädchen vor dem Zubettgehen Schlaftabletten verabreicht. Nachts schnitt sie dem älteren Kind die Pulsadern auf. Dabei wachte das Mädchen auf. Daraufhin fiel die Frau über das Kind her. Abwehrverletzungen an den Händen des Mädchens deuten darauf hin, dass es um sein Leben kämpfte. Schließlich stach die Mutter 40 Mal zu. Danach tötete sie ihre zweite, sieben Jahre alte, schlafende Tochter mit elf Stichen in den Rücken. Anschließend kleidete die die Frau die Kinder in Bademänteln, legte sie auf ein Schlafsofa, deckte sie bis zum Hals zu und legte sich dazwischen. Nun versuchte die Mutter, mit einem Schnitt in der Armbeuge Suizid zu begehen – vergebens. „Der Vater hätte die Familie tot auffinden sollen“, so der Vorsitzende Richter Wolfgang Hahn.

Ein Anruf ihres Ehemanns hat die Frau später dazu bewegt, einen Notruf abzusetzen. Um 14.24 Uhr hatte der 52-Jährige, der einige Tage bei Verwandten in Norddeutschland verbracht hatte, aus dem Auto auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht hinterlassen, dass er gleich da sei. Zwei Minuten später rief die Frau bei der Polizei an und meldete den Tod ihrer Kinder und dass sie schwer verletzt sei. Fast gleichzeitig mit den Rettungskräften traf der Mann zu Hause ein. Ein Polizist hielt ihn gerade noch davon ab, in die Wohnung zu gehen.

Mehrere Zeugen bestätigten, dass die Familie kaum Kontakte nach außen pflegte. „Die Beziehung war auf die Kinder fokussiert“, sagte der Richter Hahn. „Das Paar hatte keine gemeinsamen Interessen bei der Lebens- und Freizeitgestaltung.“

Nach der Festnahme und auch im Prozess selbst sagte die Mutter, dass sie ihre Kinder getötet habe, weil sie völlig verzweifelt gewesen sei. Vor fünf Jahren habe sie selbst von Trennung gesprochen, worauf der Mann gemeint habe, dass sie gehen könne, die Mädchen aber bei ihm bleiben würden. „Meine Kinder waren mein Ein und Alles“, so die Frau. „Ich wollte sie nicht verlieren.“ Mehrmals habe später ihr Mann von einer Trennung gesprochen. Es müsse sich etwas ändern, weil er mit seinen Kräften am Ende sei. Der Job, die Arbeit am großen Haus und die Kindererziehung wüchsen ihm über den Kopf. Er wollte ein Zimmer mieten, um ab und an auszuschlafen. Vom Haus wolle er sich trennen, um in ein kleineres Eigenheim zu ziehen.

Mutter ist nach Ansicht des Gerichts schuldfähig

Diese Signale lösten in der Frau offenbar Panik aus. Nach Ansicht der Richter fasste die Mutter wenige Wochen vor der Tat den Plan, die Kinder umzubringen und danach Suizid zu begehen. Als der Vater ankündigte, seine Verwandten ohne Frau und Kinder zu besuchen, habe sie angenommen, dass der Mann ihr bei der Rückkehr seinen Trennungsentschluss mitteilen werde.

Der psychiatrische Sachverständige kam zum Schluss, dass die Frau eine schizoid-paranoide Persönlichkeitsstörung hat. Gekennzeichnet sei diese von einem geringen Selbstwertgefühl, einem Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit, emotionaler Distanziertheit und der Angewohnheit, auch freundlich gemeintes Verhalten der Mitmenschen als Bedrohung anzusehen.

Nach Ansicht der Richter ist die Frau schuldfähig. „Bei einer Scheidung hätte die Frau ihren Lebensinhalt verloren“, so der Richter Hahn. Aus deren Sicht sei der Mann an den Taten schuld. „Sie war der Ansicht, dass die Kinder ihr gehörten.“

Der Vater ist arbeitsunfähig und vom Tod seiner Töchter schwer traumatisiert. Bald soll er eine Therapie beginnen. Im Prozess sagte er mehrmals, dass er sich nicht von der Frau habe trennen wollen.