Es ist ein Urteil von grundsätzlicher Bedeutung: Das Münchner Landesarbeitsgericht versagt einem sehr aktiven Crowdworker die Festanstellung. Die IG Metall zeigt sich enttäuscht und erwägt, vor das Bundesarbeitsgericht zu ziehen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

München - Es ist ein Stück aus der neuen Arbeitswelt, die oftmals gar nicht so schön ist: Crowdworker heißen Beschäftigte, die Aufträge über Internetplattformen und Apps erledigen. Sie erbringen lokale Dienstleistungen wie Reinigungsarbeiten oder Kurierfahrten oder sie bewerben sich um komplexe Programmier- oder Designtätigkeiten, die sich per Smartphone oder Computer abwickeln lassen. Hunderttausende digitale Tagelöhner tummeln sich schon auf diesem Markt mit starkem Wachstumscharakter. Nach einer Studie für das Bundesarbeitsministerium sollen sogar fast fünf Prozent aller Erwachsenen dazugehören.

 

Das Problem: Der Beschäftigungsstatus ist unklar. Die Selbstständigen arbeiten für Minilöhne und ohne arbeitsrechtliche Absicherung, auf eigenes Risiko. Dies bedrückt vor allem das Drittel der Betroffenen, für die das Crowd- oder Clickworking mehr als nur ein Nebenjob ist. Einer von ihnen, Anfang 50, wollte nun eine Festanstellung erzwingen, nachdem er über zwei Jahre 20 Stunden Arbeit pro Woche geleistet und knapp 1800 Euro im Monat verdient hat. Dafür musste er etwa an Tankstellen und im Handel Handyfotos für einen Zigarettenhersteller machen, der an der Präsentation seiner Produkte interessiert ist – auch das ist Arbeit 4.0.

Vor Gericht hielt der europaweit verbreitete Plattformbetreiber Roamler dagegen: Der Mann sei nicht zur Annahme der Aufträge gezwungen worden. Das Landesarbeitsgericht München sah dies auch so: Zu dem Kläger bestehe kein Arbeitsverhältnis, urteilte es am Mittwoch. Es gebe weder eine Verpflichtung zur Annahme eines Auftrags noch eine Verpflichtung für den Auftraggeber, Aufträge anzubieten. Auch die zuvor von beiden Seiten abgeschlossene Basisvereinbarung erfülle diese Voraussetzungen nicht. Gemeint ist die Erlaubnis für den Clickworker, über eine App Aufträge anzunehmen, die in einem Radius von bis zu 50 Kilometer angezeigt werden. Ein Arbeitsvertrag, so das Gericht, liege dem Gesetz nach nur bei einer weisungsgebundenen, fremdbestimmten Arbeit in persönlicher Abhängigkeit vor. Ob es sich um ein befristetes Arbeitsverhältnis handeln könnte, ließ das Gericht offen.

„Kein Zwang zur Annahme der Aufträge“

Unterstützt wurde der Mann von der IG Metall, die auf dem Feld der Crowdworker mit Verdi in heftiger Konkurrenz steht. Besonders engagiert ist Gewerkschaftsvize Christiane Benner, die ihrer Enttäuschung nun freien Lauf lässt: „Das Urteil entspricht nicht unseren Erwartungen“, sagt sie. Wenn ein Crowdworker vom Auftraggeber persönlich wirtschaftlich abhängig sei, in den Betriebsablauf eingebunden sei oder weisungsgebunden arbeite, müsse er als Arbeitnehmer eingestuft werden. Dafür gebe es im aktuellen Fall „klare Anhaltspunkte“. Womöglich ziehe die IG Metall nun vor das Bundesarbeitsgericht. Der Hauptgeschäftsführer des Digitalverbandes Bitkom, Bernhard Rohleder, lobte hingegen, das Urteil stärke die Plattformökonomie in Deutschland.

Dem „Crowdworking-Monitor“ des Arbeitsministeriums zufolge ist diese Arbeit für die große Mehrheit der Betroffenen eine von mehreren Einkünften und Beschäftigungsformen. Der Arbeitsaufwand variiere stark. Auch eine deutliche Einkommensspreizung wird festgestellt: Während 40 Prozent mehr als 1000 Euro brutto in der Woche verdienen, erhält ein Drittel weniger als 100 Euro. Als Grund wird angenommen, dass Personen mit niedrigem oder ohne Bildungsabschluss eher kurzfristige, sogenannte Microtasks ausüben. Höher qualifizierte Clickworker arbeiten oft in den Bereichen Consulting, Design und Programmierung oder erledigen handwerkliche Aufträge.

Arbeitsministerium sinnt auf Entlastungen

Das Ministerium prüft noch, ob Online-Plattformen künftig an den Rentenbeiträgen beteiligt werden können, wenn sie Aufträge vermitteln. Ziel ist es, die Crowdworker bei der Altersvorsorge besser abzusichern.