Das Amtsgericht Böblingen verurteilt den Mann zu zwei Jahren auf Bewährung wegen sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener. Die Nebenklage hatte eine Haftstrafe gefordert, dem Opfer zuliebe seien die Taten so zu bewerten, dass der Täter ins Gefängnis müsse.

Böblingen: Carola Stadtmüller (cas)

Böblingen - Offenbar sah sich der Vorsitzende Richter bei der Verkündung des Urteils zu einer Einordnung veranlasst. „Für Außenstehende mag es schwierig erscheinen, dass das noch mit einer Bewährung geht“, führte er aus. Man sei auch an der Grenze. Das Urteil: zwei Jahre für den sexuellen Missbrauch Schutzbefohlener sowie für den Besitz jugendpornografischer Schriften. Das Urteil wird für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Der Gesetzgeber sehe in diesen Fällen eine ähnliche Bestrafung vor wie bei einer einfachen Körperverletzung.

 

Vielleicht ist es genau dieser Vergleich, der nur schwerlich zu begreifen ist? Die Nebenklage zeigte deutlich ihr Missfallen. Die Anwältin forderte eine Haftstrafe ohne Bewährung. Ihrer Mandantin „zuliebe“, seien die Taten so zu bewerten. Sie habe keine Reue beim Angeklagten gesehen. „Diese Taten geschahen nicht beiläufig. Sie steigerten sich.“

Elf Mal an einem einzigen Tag

Angefangen haben die Verbrechen an der damals 14-Jährigen im Sommerurlaub in der Türkei im Jahr 2018. Damals hat sich der heute 45-Jährige zum ersten Mal der Tochter seiner langjährigen Lebensgefährtin sexuell genähert. Angeblich habe er sie mit der Mutter verwechselt. Es kam zu Berührungen und in der Folge, so führte die Anklage aus, zum vielfachen Geschlechtsverkehr, auch in der Küche der Familie in Herrenberg – und elf Mal an einem Tag bei einem Urlaub am Bodensee. Gewalt, in Form von Vergewaltigungen, sei nicht vorgekommen.

„Das Mädchen sagte, dass das ,irgendwann dazu gehört’ habe“, zitierte eine Polizistin die Aussagen des Mädchens aus der richterlichen Vernehmung – dabei wird das Opfer nur von einem Richter befragt – nach der Anzeige im vergangenen Herbst. Seitdem sitzt der Herrenberger in Untersuchungshaft in Stammheim.

Die Polizistin weiter: Das Mädchen habe einen sehr engen Bezug zum Partner ihrer Mutter gehabt, habe ihn als „Stiefvater“ bezeichnet. Das Verhältnis zur Mutter hingegen sei sehr wechselhaft gewesen, sie sei alkoholkrank. Während der Taten sei sie entweder gar nicht daheim gewesen oder habe geschlafen.

Stiefvater drohte

Das Mädchen nahm die Taten hin, bis zu einem Vorfall im vergangenen Herbst. Zu diesem Zeitpunkt sei das Mädchen bereits in eine Wohngruppe gezogen, in der sie sich selbst einen Platz gesucht habe. „Sie habe nicht mehr daheim sein können, ohne dass es zum Geschlechtsverkehr gekommen sei“, gab die Polizistin die Aussagen des Mädchens wieder. Um sie gefügig zu machen und ihr zu drohen, habe der Stiefvater seiner Lebensgefährtin eine Videodatei geschickt: Darauf war zu sehen, wie das Mädchen an sich selbst sexuelle Handlungen vornimmt, unter anderem mit Gegenständen. „So sollte sie sehen, was für eine ,Schlampe’ ihre Tochter sei“, sagte die Polizistin.

Daraufhin kam es zum Streit, die Mutter fragte erstmals nach, die Tochter erzählte alles. Zeitgleich öffnete sie sich ihrer Betreuerin in der Wohngruppe. Das Opfer hatte es mit der Angst zu tun bekommen: Der Stiefvater hatte ihr eine Sprachnachricht geschickt, auf der er droht, es könne ja jederzeit ein Unfall geschehen, wenn sie sich weiter verweigere.

Bei der Auswertung des Handys des Angeklagten fand die Polizei mehr als 1000 Nachrichten, darunter viele Sprachdateien. Und es fanden sich weitere Filme mit sexuellen Handlungen des Mädchens an sich selbst. Daher war der Mann auch wegen des Besitzes jugendpornografischer Schriften in mehreren Fällen angeklagt.

Ausschlaggebend für das Urteil war ein Geständnis

Ausschlaggebend für das Urteil war für den Vorsitzenden Richter das Geständnis des Mannes, das am Verhandlungstag im Nebenzimmer ausgesprochen wurde. Damit habe er dem Opfer eine Aussage erspart, das sei „hoch anzurechnen“. Zudem geht das Gericht von „keinerlei Wiederholungsgefahr“ aus, so ein „Konglomerat“ wie in dieser Familie werde sich nicht wiederholen, da sei man sich sicher. Der Täter habe keine pädophilen Neigungen. Weitere Auflagen: Der 45-Jährige muss 2000 Euro an die Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt Thamar bezahlen und darf sich dem heute 16-jährigen Opfer nicht auf 100 Meter nähern.