Seit vier Jahren streiten die Stadtwerke und die EnBW darum, wem wichtige Bestandteile des Strom- und Gasnetzes in Stuttgart gehören. Nun hat der Bundesgerichtshof in letzter Instanz sein Urteil gefällt.

Stuttgart - Die Netze BW, ein Tochterunternehmen der Energie Baden-Württemberg (EnBW), muss weitere Strom- und Gasnetze auf dem Stadtgebiet Stuttgart an die Stuttgart Netze GmbH abgeben. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag entschieden. Stuttgart Netze gehört mehrheitlich (74,9 Prozent) den Stadtwerken Stuttgart, den Rest der Anteile besitzt Netze BW.

 

Die Stadtwerke-Tochter hatte die Klage auf die Übernahme von 217 Kilometer Hochspannungskabel und 270 Kilometer Gas-Hochdruckleitung Ende 2015 beim Landgericht eingereicht. Schon damals war klar, dass der Rechtsweg von beiden Streitparteien bis zur letzten Instanz ausgeschöpft werden würde, denn es ging um eine bundesweit bisher ungeklärte Grundsatzfrage.

Die Netze bringen Gebühren

Stuttgart Netze, die die Konzession für die Strom-und Gasnetze seit 2014 und noch bis 2033 innehat, müsse ihre Versorgungsaufgaben im Strom- und Gasbereich genauso erfüllen können wie die frühere Konzessionärin Netze BW, hieß es im Urteil des Landgerichts, das auf das Energiewirtschaftsgesetz Bezug nahm. Das Oberlandesgericht sah das im April 2018 nicht anders und benannte Anlagenteile. Das Nieder- und Mittelspannungsnetz und entsprechende Gasleitungen hatte die EnBW-Tochter da bereits abgegeben.

Die Versorgungsinfrastruktur in ihren Besitz zu bringen ist für Stuttgart Netze wirtschaftlich bedeutsam, denn mit ihr erhält der Konzessionär Nutzungsgebühren. Die Durchleitungsgebühren machen etwa ein Viertel am Strompreises aus, beim Gas weniger. Für den Endkunden in Stuttgart ändert sich durch die BGH-Entscheidung nichts, die Gebühr für die Netznutzung fließt lediglich in eine andere Tasche. Man erwarte pro Jahr „die regulatorisch festgelegte Rendite von fünf Prozent der Investitionssumme“, so Stadtwerke-Geschäftsführer Olaf Kieser am Dienstag auf Anfrage. Er nennt 100 Millionen Euro als Investitionssumme.

Gemeinderat soll Kredit geben

Der Stuttgarter Gemeinderat soll am Donnerstag in einer wegen der Coronakrise von 60 auf 15 Stadträte ausgedünnten Besetzung über zwei städtische Kredite im Umfang von 150 Millionen und 5,6 Millionen Euro an die Stadtwerke Stuttgart entscheiden. Das große Darlehen, das die Stadt zu Marktkonditionen gewährt, solle „im Wesentlichen zur Finanzierung des Erwerbs des Hochspannungs- und Hockdrucknetzes“ dienen, das kleinere gilt als Kassenkredit zur Ausgleich von Liquiditätsschwankungen bei den Stadtwerken. Für die Landeshauptstadt ist die Kreditvergabe von Vorteil, denn sie muss seit 2019 auf einen Teil ihrer Geldanlagen Negativzinsen zahlen.

Die Stadtwerke begrüßten die Entscheidung. „Wir sind erleichtert, dass endlich Klarheit herrscht“, sagte Kieser. „Wir werden die Entscheidung respektieren“, sagt Christoph Müller, Geschäftsführer von Netze BW. Die Modalitäten der Entflechtung des Gasnetzes sollen nun festgelegt werden. Für das Hochspannungsnetz sind sie entschieden, hier fallen Kosten von rund einer Million Euro an, beim Gasnetz sind sie unklar.