Die NPD scheitert gleich zweimal mit dem Versuch, das Staatsoberhaupt in die Bredouille zu bringen. Gauck darf die NPD als „Spinner“ bezeichnen – und auch die Bundespräsidentenwahlen 2009 und 2010 liefen nach dem Urteil nicht irregulär ab.

Karlsruhe - Bundespräsident Joachim Gauck durfte kurz vor der Bundestagswahl 2013 die Anhänger der NPD als „Spinner“ bezeichnen. Dies sei mit der weitreichenden Redefreiheit eines Präsidenten vereinbar, hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag entschieden. Dabei stellten die Richter zunächst fest, dass der Begriff „Spinner“ durchaus ein negatives Werturteil darstelle, das als diffamierend eingestuft werden und auf eine unsachliche Ausgrenzung der so Bezeichneten hindeuten könne.

 

Gaucks Charakterisierung müsse aber im konkreten Zusammenhang gesehen werden. Der Bundespräsident habe mit diesem Wort Menschen charakterisieren wollen, die sich von den verheerenden Folgen des Nationalsozialismus unbeeindruckt zeigten und unbelehrbar rechtsradikale, nationalistische sowie antidemokratische Überzeugungen vertreten. Gauck habe zu bürgerschaftlichem Engagement gegenüber politischen Ansichten aufgefordert, von denen nach seiner Überzeugung Gefahren für die freiheitlich demokratische Grundordnung ausgehen. Er habe die ihm von der Verfassung gesetzten Grenzen negativer öffentlicher Äußerungen über politische Parteien nicht überschritten.

Insgesamt billigen die Richter dem Bundespräsidenten einen weiten Gestaltungsspielraum bei seiner Amtsführung zu. Es sei allein seiner Entscheidung überlassen, zu welchen gesellschaftlichen Entwicklungen und allgemeinpolitischen Herausforderungen er sich äußere, auf welche Fehlentwicklungen er hinweise, vor welchen Gefahren er warne, aber auch welche Personen und Kreise er in diesem Zusammenhang benenne. Er benötige für all das keine gesetzliche Ermächtigung.

Der Präsident hat nicht willkürlich Partei ergriffen

Die Richter schränken zwar ein, der Bundespräsident dürfe die Chancengleichheit der Parteien nicht beeinträchtigen. Negative Werturteile über Ziele und Betätigungen einzelner Parteien könnten durchaus eine solche Beeinträchtigung sein. Gerichte dürften solche negative Äußerungen aber nur insoweit überprüfen, ob der Präsident seine Integrationsfunktion „evident“ vernachlässigt und damit „willkürlich Partei ergriffen“ habe. Dies sei bei der NPD nicht der Fall. Der Bundespräsident sei ausdrücklich befugt, zum politischen Meinungskampf aufzufordern. Dies sei auch das Ziel Gaucks bei seinen Äußerungen in einem Berliner Schulzentrum gewesen. (Aktenzeichen 2 BvE 4/139)

In einem zweiten Urteil hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag auch den Antrag der NPD zurückgewiesen, die Bundespräsidentenwahlen der Jahre 2009 und 2010 für irregulär zu erklären. Hintergrund der Klagen war gewesen, dass der NPD-Vorsitzende Udo Pastörs und zwei weitere NPD-Abgeordnete als Mitglieder der Bundesversammlungen erfolglos eine persönliche Vorstellung der zur Präsidentenwahl stehenden Kandidaten und eine mündliche Aussprache gefordert hatten. Außerdem hatten die NPD-Kläger kritisiert, dass in zehn Bundesländern jeweils nur eine einzige, von allen Fraktionen gemeinsam aufgestellte Liste zur Wahl vorgelegt wurde.

Mit der Problematik der Wahllisten setzte sich das Verfassungsgericht inhaltlich nicht auseinander, weil die Regeln von Mecklenburg-Vorpommern, von wo aus der Kläger entsandt worden war, in dem Antrag gar nicht angegriffen worden sind. Gegen die Regeln in anderen Bundesländern könne sich der Kläger aber nicht wenden. Insoweit sei sein Antrag bereits unzulässig.

„Die Wahl hat zeremonielle, symbolische Bedeutung“

Inhaltlich setzten sich die Richter deshalb nur mit dem Rede- und Antragsrecht in der Bundesversammlung auseinander. Im Gegensatz zum Bundespräsidenten, für den sie im ersten Urteil ein umfassendes Rederecht konstatiert hatten, billigten sie den Mitgliedern der Bundesversammlung, die den Präsidenten wählen, weder ein Rede- noch ein Antragsrecht zu. Sie begründeten dies mit der Funktion des Präsidenten: „Er verkörpert die Einheit des Staates“. Autorität und Würde des Präsidenten speisten sich daraus, dass sein Amt auf „geistig-moralische Wirkung“ angelegt sei. Der Ablauf der Wahl habe auch die Aufgabe, „die besondere Würde des Amtes zu unterstreichen“. Die Wahl habe eine „symbolische Dimension“. Deshalb sei eine öffentliche Debatte nicht vorgesehen. Das Ausspracheverbot schütze „die Würde des Wahlaktes“, der nicht durch parteipolitischen Streit überlagert werden solle. Die Mitglieder müssten sich die „für ihre Wahlentscheidung erforderlichen Informationen außerhalb der Bundesversammlung verschaffen“. Vergleiche mit den viel weiter reichenden Rechten von Bundestagsabgeordneten halten die Richter für unzulässig.

Der Bundestagspräsident habe als Leiter der Bundesversammlung das Recht , die „zeremonielle, symbolische Bedeutung des Wahlaktes“ zu bewahren, indem er Anträge ablehne, ohne dem Antragsteller zuvor das Wort zu erteilen. Dies sei jedenfalls bei solchen Anträgen erlaubt, die nicht „die Durchführung der Wahl an sich betreffen“ oder „offensichtlich nicht im Einlang mit der Verfassung stehen“. Mitglieder der Bundesversammlung hätten kein Rederecht. Eine Kandidatenvorstellung verletzte das Ausspracheverbot in der Bundesversammlung. (Aktenzeichen: 2 BvE 2/09)