Die US Open im Tennis stehen vor der Tür. Viele Profis der Tour stellt das Großereignis in New York vor einen Gewissenskonflikt.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Im Mannschaftssport herrscht Gruppenzwang, im Individualsport dagegen die große Freiheit. Anders als im Fußball ist es im Tennis nicht so, dass die Akteure auf den Platz stürmen, sobald der Turnierplan nach der Corona-Pause wieder aufgenommen wird. Die Veranstaltung in Cincinnati gilt als Vorbereitung auf die US Open, doch Angelique Kerber verzichtet auf das Turnier. Daraus lässt sich schließen, dass die Kielerin wohl auch nicht bei dem Grand-Slam-Klassiker in New York antreten wird. Dort, auf der Anlage von Flushing Meadows, findet diesmal auch das Cincinnati-Turnier statt – als Testlauf für die beim Grand Slam geplanten Hygiene-Maßnahmen. Die US Open sollen ab dem 31. August stattfinden, das Vorturnier startet ab 20. August.

 

Kerber zögert

Angelique Kerber geht die Rückkehr zur Teilnormalität im Tennisalltag wohl zu schnell – deshalb die Nichtzusage. Ohnehin hatte sie ihre Bedenken kundgetan im Hinblick auf voreilig unternommene Flugreisen, die Ansteckungsgefahr und die noch immer unsicheren Einreisebestimmungen wegen des Coronavirus. „Ich habe die Verantwortung für mich und mein Team“, sagte sie. Auch behagten der Spielerin die Tennis-Exzesse der männlichen Kollegen Novak Djokovic und Alexander Zverev bei einem Turnier in Kroatien überhaupt nicht. Dort wurden Abstandsregeln ignoriert und in Form eines unreifen, aufmüpfigen Protests gegen die Corona-Bestimmungen haltlos gefeiert.

Zverev sieht keine andere Wahl

Die dreimalige Grand-Slam-Siegerin Kerber will sich wohl auf die French Open Ende September konzentrieren. Die Corona-Verachter Zverev und Djokovic dagegen sind beim Cincinnati-Turnier dabei und stehen dann auch bei den US Open auf dem Platz. „Es ist ein bisschen verrückt, jetzt die US Open zu spielen“, sagte Zverev. „Ich würde es lieber haben, wenn sie nicht stattfinden würden und wir in Europa anfangen. Aber was sollen wir machen? Es geht um Ranglistenpunkte.“ Die sportliche Währung im Tennis, die für Nick Kyrgios im Moment nichts zählt. Der Australier sagte seine Teilnahme am Sonntag ab. Er verzichte für die Menschen, für seine Aussies, „für die Hunderttausenden Amerikaner, die ihr Leben verloren haben, für euch alle“, teilte der 25-Jährige mit. Acht der besten zehn Tennisspieler der Welt wollen sich die Rückkehr auf den Court aber nicht nehmen lassen. Ausgerechnet Zverev und Djokovic waren es zuletzt auch, die Kritik geübt hatten am Sicherheitskonzept, das die Spieler in eine Blase stecken möchte. Dabei hatte sich Djokovic bei seiner damals selbst organisierten Adria-Tour mit dem Coronavirus infiziert. So wie einige andere Spieler damals auch.

Kyrgios zeigt klare Kante

Diese Männer scheinen zu glauben, das Virus mache vor elitären Tenniszirkus halt. Die Frauen scheinen in Summe mit derlei Mutmaßungen vorsichtiger zu sein. Fünf Top-Ten-Spielerinnen sind beim Cincinnati-Turnier am Start, darunter auch der US-Superstar Serena Williams. Die Weltranglistenerste Ashleigh Barty aus Australien verzichtet dagegen ebenso wie die zweitplatzierte Rumänin Simona Halep. Das Ganze unter dem Vorbehalt einer Meldung vom Sonntag, wonach sich eine namentlich nicht genannte Spielerin beim Turnier in Palermo – dem ersten auf der WTA-Tour seit fünf Monaten – mit Corona infiziert habe.

Barbara Rittner, beim Deutschen Tennis-Bund zuständig für die Angelegenheiten der Frauen, will nicht beurteilen, ob eine Turnier-Absage wie die von Kerber oder anderen das richtige Mittel ist. Jeder muss das für sich entscheiden. „Wenn ich Spielerin wäre, würde ich im Moment nicht nach New York reisen“, nur so viel verrät der ehemalige Tennisprofi. Die Erfahrungen mit dem Einladungsturnier jüngst in Berlin haben aber auch gezeigt, dass ein Neustart rein sportlich betrachtet Zeit wurde.

Auch Görges verzichtet lieber

Nicht nur Kerber taucht in der Teilnehmerliste von Cincinnati nicht auf, auch den Namen Julia Görges sucht man dort vergebens. Obwohl der amerikanische Tennis-Verband zuletzt das Turnier in Washington abgesagt hatte, soll in New York gespielt werden. Es ist noch völlig unklar, ob die anreisenden Profis erst einmal in Quarantäne müssen oder nicht. Auch weiß keiner, wie die Bestimmungen bei der Rückreise etwa nach Europa sein werden. Um dieses ganz Theater zu umschiffen, ist es vielleicht doch die beste Lösung, zu Hause zu bleiben.