Der US-Präsident streut Zweifel an Briefwahlen – außer in Florida. Wie sind die Argumente zu bewerten?

Washington - Das Präsidentschaftsvotum am 3. November dürfte wegen der Infektionsgefahr wie keines zuvor im Zeichen der Briefwahl stehen. Donald Trump nimmt es zum Anlass, um massive Betrugsmanöver zu unterstellen.

 

Was ist dran an seinen Warnungen?

Der Präsident nennt Beispiele, die er verallgemeinert. Tatsächlich ist es bei lokalen Abstimmungen zu Pannen gekommen. In Wisconsin warteten Tausende vergeblich auf Wahlunterlagen. In New Jersey wurde ein Zehntel der Stimmzettel nicht gewertet, weil sie entweder zu spät eingingen oder die eidesstattliche Erklärung fehlte. Trump konstruiert daraus einen Generalverdacht. Nur Florida, wo er mit der Adresse seines Strandclubs Mar-a-Lago im Wahlregister eingetragen ist, könne einen korrekten Ablauf garantieren, da es von einem republikanischen Gouverneur regiert werde und über langjährige Erfahrung verfüge.

Gibt es dafür Anhaltspunkte?

Das ist Unsinn. Bereits 2016 haben rund ein Viertel derer, die wählten, per Brief abgestimmt, ohne dass in nennenswerter Zahl manipuliert worden wäre. 2020 sind es fünf Staaten, die jedem Berechtigten ohne Antrag die Wahlunterlagen zuschicken. Gleiches gilt für die meisten Landkreise in North Dakota, einige Verwaltungsbezirke in Kalifornien und die Stadt Anchorage in Alaska. Über 30 Bundesstaaten gestatten es jedem Bürger, per Post abzustimmen, allerdings nur auf Antrag.

Wie wird Manipulation verhindert?

Neben dem Umschlag mit dem – natürlich nicht signierten – Stimmzettel müssen Briefwähler eine eidesstattliche Erklärung einschicken. Die Unterschrift wird mit der im Wahlregister verglichen. Wer fälscht, muss mit fünf Jahren Gefängnis rechnen. Vereinzelte Betrugsfälle gebe es immer, sagt die Nummer zwei der Lokalregierung Utahs, ein Republikaner namens Spencer Cox, doch massivem Betrug verhindere man durch das Prüfender Unterschriften. In Oregon, wo seit 2000 mehr als 100 Millionen Stimmzettel verschickt wurden, hat man seitdem nur etwa ein Dutzend Fälschungsversuche nachgewiesen.

Ist die Post der Flut gewachsen?

Das ist der entscheidende Punkt. Dass die Zahl der Briefwähler wohl weit hinausgeht über das Übliche, bestätigte eine Serie von Kongress-Vorwahlen, die am Dienstag in fünf Staaten stattfanden. Allein in Michigan wurden auf Antrag etwa 2,1 Millionen Wahlscheine verschickt, während der bisherige Rekord bei 1,3 Millionen gelegen hatte. Der United States Postal Service (USPS) fährt indes einen rigiden Sparkurs. Seit Juni werden Überstunden nicht mehr bezahlt, was die Befürchtung nährt, dass die Briefträger ihr Pensum nicht schaffen und es in der Wahlsaison zu Verzögerungen kommt. Kritiker werfen der Regierung Trump vor, die Post absichtlich, mit Blick auf das Votum, kaputtsparen zu wollen.

Womit ist konkret zu rechnen?

Die Auszählung der Stimmen könnte sich hinziehen. Überall müsste Personal aufgestockt werden. In einigen Staaten bleiben Wahldokumente, die nicht spätestens am Tag des Urnengangs eingegangen sind, unberücksichtigt. Das müsste man ändern. Trump leitet auch aus der Aussicht auf womöglich tagelanges Warten auf ein Ergebnis einen Generalverdacht ab. An einer Wahl, deren Sieger nicht schon in der Nacht ausgerufen werden könne, müsse man zweifeln.