Donald Trump sieht sich als begnadeten Verhandler. In dieser Rolle ist der US-Präsident im Shutdown-Kampf grandios gescheitert, an Nancy Pelosi. Eine ihrer Töchter sagt: „Sie hackt dir den Kopf ab, und du wirst nicht einmal merken, dass du blutest.“

Washington - (dpa/AFP/StN). Donald Trump mag Spitznamen. Er bedenkt seine Gegner gerne mit möglichst despektierlichen Titeln: „Crooked Hillary“, „Cryin’ Chuck“, solche Dinge – betrügerische Hillary (Clinton), heulender Chuck (Schumer). Bei seiner aktuell wichtigsten Gegnerin – der Frontfrau der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi – ist das anders. „Nancy Pelosi, oder Nancy, wie ich sie nenne“, sagte Trump vor wenigen Tagen, als er über Pelosi sprach. Der Vorname also – mehr traut sich Trump in ihrem Fall nicht. Das sagt viel aus. Der US-Präsident scheint erkannt zu haben, dass er in Pelosi eine mächtige und raffinierte Gegenspielerin hat.

 

Pelosis Tochter, die Filmemacherin Alexandra Pelosi, sagte dem US-Sender CNN: „Sie schneidet Ihnen den Kopf ab, und Sie werden nicht einmal bemerken, dass Sie bluten.“ Im Kampf um den Shutdown der US-Regierung hat er das nur allzu deutlich zu spüren bekommen. Seine Niederlage ist schmerzlich und womöglich folgenreich.

Für Durchhaltevermögen bekannt

Pelosi ist erst seit gut drei Wochen Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses. Den einflussreichen Posten besetzte sie schon vor ein paar Jahren, als erste Frau in der US-Geschichte. Bei ihrem Comeback musste sie Widerstand aus den eigenen Reihen überwinden. Einige Demokraten wollten Aufbruch, Veränderung – und keine 78-Jährige als ihre Galionsfigur. Trump beobachtete das genüsslich, bot zwischenzeitlich sogar süffisant an, notfalls könnten seine Republikaner auch mit ein paar Stimmen aushelfen bei ihrer Wahl. Schließlich habe Pelosi es verdient, erneut auf den Spitzenposten aufzurücken. Es war ein vergiftetes Lob: Trump schien der Ansicht, in Pelosi eine einfache Gegnerin gefunden zu haben.

Aber Pelosi ist seit 37 Jahren im politischen Geschäft. Sie weiß zu taktieren und im Hintergrund zu schachern. Die interne Revolte wehrte sie erfolgreich ab. Ein bisschen was konnte sie wohl bei ihrem Vater abschauen. Der war Bürgermeister der Ostküstenstadt Baltimore in der Nähe von Washington, D. C. Pelosi wuchs als jüngstes von sechs Kindern auf, in einer italienischstämmigen Familie. Später zog sie selbst fünf Kinder auf und startete danach ihre politische Karriere. Sie stieg schnell auf und hielt sich über Jahrzehnte auf politischen Führungsposten. Ohne Härte geht das nicht. Sie hat schon oft Durchhaltevermögen bewiesen – auch als jemand, der schon mal acht Stunden ohne Pause und ohne Essen im Parlament einen Redemarathon absolviert, um für ein Einwanderungsgesetz zu kämpfen.

Wichtigste Gegenspielerin

Und nun ist sie erneut die Nummer drei im Staat, nach Trump und dessen Vize. Sie ist damit auch die mächtigste Frau in der US-Politik und vorerst wichtigste Gegenspielerin für Trump – bis feststeht, wer für die Demokraten bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2020 gegen Trump antritt. Pelosi hat Trump eines Besseren belehrt, was ihre Gefährlichkeit angeht. Sie hat 35 Jahre mehr politische Erfahrung als Trump. Und die spielt sie nun aus.

Im Streit über den Haushalt und die Finanzierung einer Grenzmauer zu Mexiko ließ sie Trump auflaufen. Der Präsident tönte wiederkehrend, er werde keinem Haushalt und auch keinem Übergangshaushalt zustimmen, wenn darin nicht die von ihm geforderten Milliarden für den Mauerbau vorgesehen seien. Um das Geld zu bekommen, ist er auf Stimmen der Demokraten im Kongress angewiesen.

Der Druck auf Trump wuchs jedoch mit jedem Tag: sinkende Umfragewerte, Bilder von Staatsbediensteten, die für Lebensmittelspenden anstehen, chaotische Zustände an Flughäfen, weil sich dort reihenweise Mitarbeiter krankmeldeten, Prognosen zu deutlichen Einbußen beim Wirtschaftswachstum durch den Shutdown, alarmierende Warnungen aus dem Sicherheitsapparat des Landes und schließlich interne Absetzbewegungen bei den Republikanern.

Trump verprellt auch Republikaner

Die Demokraten warteten ab, blieben bei ihrem Nein zu einer Mauer, blieben geschlossen und setzten sich auf ganzer Linie durch. „Unsere Einigkeit ist unsere Macht“, sagte Pelosi. „Und das ist etwas, das der Präsident vielleicht unterschätzt hat.“ Trump steht vorerst mit leeren Händen da. Trotz fünf Wochen Regierungsstillstand hat er keine seiner Forderungen durchgesetzt. Dafür hat er jede Menge Leute verprellt, auch unter seinen Anhängern. Die Moderaten unter ihnen sind abgestoßen dadurch, dass er den Shutdown trotz aller Härten für die betroffenen Staatsbediensteten durchgezogen hat. Die Hardliner wiederum halten es für schwächlich, dass er eingeknickt ist, ohne sein großes Wahlversprechen – den Bau der Grenzmauer – durchzusetzen.

Auch in dem Nebenkampf mit Pelosi rund um die Rede zur Lage der Nation hat Trump verloren. Die Demokratin, die mit einem Hammer nötigenfalls für Ruhe unter den 435 Abgeordneten in der großen Kammer des Parlaments sorgen kann, setzte ihm zu mit ihrem Vorstoß, die traditionsreiche Ansprache des Präsidenten vor dem Kongress bis auf die Zeit nach dem Ende des Shutdowns zu vertagen. Trump mühte sich noch, mit mehreren Volten zurückzuschlagen und seinen Willen zu bekommen, musste sich am Ende aber Pelosi geschlagen geben. Der Präsident hätte vorhersehen können, dass er bei der Auseinandersetzung über die Rede keine Chance hat. Er sah es nicht.

Trump hat sich verzockt

Trump hat sich maximal verzockt; ausgerechnet er also, der frühere Geschäftsmann, der sich selbst für einen begnadeten Verhandler hält. Trump veröffentlichte Ende der 80er, in seinem alten Leben, das Buch „The Art of the Deal“. Nun hat er sich als wenig kunstvoller und geschickter Dealmaker präsentiert. Eher als einer, der sich hat über den Tisch ziehen lassen. Selbst aus Regierungskreisen ist zu hören, er habe bei diesem Kampf gegen Pelosi krachend verloren.

Trump hat es versäumt, sich im Kongress die Finanzierung für seine Mauer zu sichern, solange die Republikaner noch die Mehrheit in beiden Kongresskammern hatten. Seit den Zwischenwahlen im November haben die Demokraten die Kontrolle über das Repräsentantenhaus. Und diese neue Macht nutzen sie unerbittlich, allen voran Pelosi.

Der Verlust der Stimmen im Abgeordnetenhaus kam für die Republikaner nicht wirklich überraschend. Hat Trump das ausgeblendet, nicht wahrhaben wollen? Oder ist das „Shutdown“-Debakel einfach Zeichen einer Politik ohne jede längerfristige Strategie? Trump steht nun, genau zur Hälfte seiner Amtszeit, so schlecht da wie nie zuvor. Seine ohnehin mageren Umfragewerte sind durch die quälenden Shutdown-Wochen weiter abgesackt. Er hat selbst unter seinen Anhängern viele vergrault. Und das von ihm selbst beschworene Image als Macher – als jemand, der den Etablierten in Washington zeigt, wo es langgeht – ist nachhaltig ramponiert.

Verwicklungen mit Russland

Bis zur Präsidentschaftswahl 2020 hat Trump es nun mit einem Repräsentantenhaus zu tun, in dem die Demokraten und Pelosi das Sagen haben und ihm das Leben schwer machen können. Es sieht vieles danach aus, dass sich auch die Wirtschaftslage – bislang immer ein Joker für Trump – bis zur Wahl eher etwas verschlechtern könnte. Für den Präsidentschaftswahlkampf, der nicht mehr weit weg ist, sind all das nicht die besten Voraussetzungen.

Was Trump ebenfalls zusetzt, sind die Ermittlungen zu möglichen Verwicklungen seines Wahlkampfteams von 2016 mit Russland. Sie rücken immer näher an den Präsidenten heran.

Das Duell mit Pelosi geht in die nächste Runde. Drei Wochen ist Zeit, um eine Lösung zu verhandeln, bis die nächste Eskalation droht. Trump geht bei diesem Kampf deutlich geschwächt in die zweite Runde.