Nach der Bluttat von Las Vegas ist eine Verschärfung des Waffenrechts in weiter Ferne. Im Gegenteil: Unter Donald Trump soll der Verkauf von Waffen mit Schalldämpfern sogar erleichtert werden.

Washington - Die Appelle sind emotional und eindringlich. „Gedenken und Gebete sind nicht genug. Nicht, wenn Väter und Mütter ihre Kinder beerdigen müssen und mehr Töchter und Söhne ohne Eltern aufwachsen“, mahnte Elizabeth Warren, die demokratische Senatorin des US-Bundesstaates Massachusetts. Fast 90 Prozent der Amerikaner forderten strengere Waffengesetze, behauptete der amerikanische Filmemacher Michael Moore: „Es ist keine Demokratie, wenn ein paar Bösartige entscheiden, was Gesetz wird.“

 

Unter Tränen mahnte der Fernseh-Moderator Jimmy Kimmel seine Zuschauer, ihre Kongressabgeordneten endlich zum Handeln zu drängen. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass nach dem Massaker von Las Vegas mit 59 Toten und 500 Verletzten die laxen Waffengesetze in den USA verschärft werden, ist extrem gering. „Es wäre voreilig, politische Maßnahmen zu diskutieren, bevor wir nicht vollständig wissen, was passiert ist“, hatte Sarah Sanders, die Sprecherin des amerikanische Präsidenten Trump, schon früh abgewiegelt. Nun hat der Sender NBC die vertrauliche Sprachregelung des Weißen Hauses ausgegraben und veröffentlicht. „Wir müssen erst einmal die Fakten kennen“, steht da. Und: Das Recht zum Waffenbesitz sei „ein Kernbestandteil unserer Verfassung“. Weiter heißt es: „Terroristen haben Menschen mit Messern und Autos umgebracht.“ Schließlich wird die Meinung vertreten: „Mehr Gesetze werden nichts ändern.“

Man könne das Böse nicht regulieren, sagt ein Politiker

Diese hinhaltend-ablehnende Haltung des Präsidenten kommt nicht von ungefähr. Donald Trump hat in seinem Wahlkampf dreimal so viel Geld von der amerikanischen Waffenlobby National Rifle Association (NRA) erhalten wie der republikanische Kandidat Mitt Romney vier Jahre zuvor. Und Trumps Basis vor allem in den ländlichen Gebieten Amerikas unterstützt die NRA in ihrem Kampf für den freien Zugang zu Waffen für Jedermann.

Er halte es für ausgeschlossen, dass Donald Trump irgendeine Gesetzesverschärfung unterstütze, erklärte sein ehemaliger Chefstratege Stephen Bannon: „Das wäre das Ende von allem.“ Das sehen auch die meisten Republikaner so: „An die Adresse aller Opportunisten, die nun die Tragödie von Las Vegas für den Ruf nach schärferen Waffengesetzen missbrauchen wollen: Man kann das Böse nicht regulieren“, erklärte Matt Bevin, der Gouverneur von Kentucky.

Donald Trump hatte die Bluttat vom Sonntagabend, bei der mindestens 59 Menschen von einem Schützen aus einem Hotelzimmer heraus mit mehr als 20 Gewehren niedergemetzelt worden sind, als „Akt des Bösen“ bezeichnet. In der Flucht in die Schicksalshaftigkeit folgen ihm auch konservative Medien wie das „Wall Street Journal“, das in einem Leitartikel die Waffenproblematik nicht einmal erwähnte, sondern die amerikanischen Werte der Humanität beschwor. Tatsächlich versuchen Trump und die Republikaner seit dem Regierungswechsel im Januar diesen Jahres, die Waffengesetze sogar zu lockern. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit nahm Trump eine Bestimmung seines Amtsvorgängers Barack Obama zurück, die beim Waffenkauf neben der üblichen Überprüfung der Vorstrafen eine Abfrage bei der Sozialbehörde verlangt, um festzustellen, ob der Betroffene eine medizinische Behandlung oder Medikamente wegen psychischer Krankheiten erhält.

Der Waffenverkauf ans psychisch Kranke wird kaum überprüft

Nachdem diese Bestimmung gestrichen wurde, ist es zwar formal weiter verboten, Pistolen oder Gewehre an psychisch Kranke zu verkaufen. Praktisch wird das aber kaum überprüft. Der zuständige Kongressausschuss hat zudem im September den Entwurf für ein „Gesetz zu Förderung der Jagdkultur und der Freizeitaktivitäten“ auf den Weg gebracht. Dieses Paragraphenwerk soll den Verkauf von Schalldämpfern ohne die bisherigen Auflagen erlauben.

Zur Begründung dieser Gesetzesänderung heißt es, durch die Schalldämpfer würden Hörschäden bei den Sportschützen verhindert und der Lärm für die Anwohner von Schießständen werde verringert.

Nach dem Massaker von Las Vegas warnte die frühere Präsidentschaftskandidatin und Demokratin Hillary Clinton: „Die Menge wurde durch den Knall der Schüsse alarmiert. Man stelle sich bloß vor, der Täter hätte Schalldämpfer gehabt, wie es die NRA nun erleichtern will!“

Selbst die Republikaner halten das zeitliche Zusammentreffen ihrer Initiative mit dem Massaker für unglücklich. „Niemand will das auf den Tisch bringen, wenn so etwas passiert ist“, sagte Pete Sessions, der Vorsitzende des Kongressausschusses. Und Paul Ryan, der Sprecher des Repräsentantenhauses, wiegelte ab: „Das Gesetz steht derzeit nicht auf unserem Fahrplan.“

Wie lange die politische Schamfrist noch andauern wird, ist jedoch offen. In Virginia, wo sich ein Demokrat und ein Republikaner gerade ein Kopf-an-Kopf-Rennen für die Gouverneurswahl am 7. November liefern, will die Waffenlobby NRA den Republikaner Ed Gillepsie mit einer 750 000 Dollar teuren Werbekampagne unterstützen. Die ersten Spots sollten am Dienstag anlaufen. Sie wurden nun um eine Woche verschoben.