Er liebte die Präzison und hasste die Inszenierung von falscher Romantik. „Ein Haar muss ein Haar bleiben!“ So lautete der Lehrsatz des 1955 verstorbenen Fotografen Adolf Lazi. In der Galerie seiner Tochter Saby Lazi auf dem Bopser haben Künstler und Autoren sein Vermächtnis gewürdigt.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Bopser? Touristen, die wenig von Stuttgart wissen, amüsieren sich zuweilen, wenn sie diesen Namen hören. Manch einer schmunzelt, als überlege er sich gerade, ob der Bopser ein Stadtteil mit Blähungen ist.

 

Einheimische haben diese Assoziation nicht. Sie wissen, dass sich im Bopser oberhalb der Hohenheimer Straße Villen mit reich verzierten Fassaden befinden sowie Wege mit wunderbarer Aussicht, die in den Wald führen. Nicht so bekannt ist, dass hier oben ein kleiner Gedenkstein beim List-Denkmal fast verborgen im Boden ruht. Wie in dem Buch „Der Stuttgarter Bopser“ zu lesen ist, erinnert der Stein an den Gefreiten Emil Waidlich, der „nur zwei Stunden vor Übergabe der Stadt“ wohl durch eine Panzergranate ums Leben kam – zwei Stunden, bevor ein sinnloser Krieg zu Ende war.

Galerie im alten Fotostudio ihres Elternhauses

Saby Lazi, die Tochter des großen Fotografen Adolf Lazi, ist Mitautorin dieses äußerst lesenswerten Buchs, das Geheimnisse eines Wohnquartiers offenbart, das – wie sein Immobilienpreisniveau – höher gelegen ist. Für sie ist der Bopser „Heimat“, sie schätzt die Nähe zum Wald und das schnelle Erreichen der City. Hier hat Frau Lazi drei Söhne groß gezogen. Seit 20 Jahren betreibt sie im alten Fotostudio ihres Elternhauses eine Galerie. Bei ihr sind etablierte Künstler zu sehen. Aber auch der Nachwuchs bekommt die Chance, ausgestellt und verkauft zu werden.

Schon dem Vater war es wichtig, Talente zu fördern. Sein Haus, damals noch auf der Gänsheide, baute er zur Fotografenschule aus, um Studenten möglichst dicht an Perfektion heranzuführen. Schmeicheleien durch Beleuchtungseffekte lehnte er ab, wie die Gäste der vorösterlichen Kunst- und Kulinaria-Einladung von Saby Lazi erfahren. Es ist ein Treffen kreativer Menschen. Künstler, Fotografen, Autoren sind da. Der Kunstmaler und Illustrator Rainer Simon macht Skizzen von den Anwesenden mit seinen Mini-Malkasten. Heiko Volz und Volker Lang alias Äffle & Pferdle spielen mit den bunten Dürer-Hasen. Wilhelm Betz, der Fotograf des Buches „Stuttgarter Charakterköpfe“, betrachtet ehrfurchtsvoll Porträts von Adolf Lazi und ist begeistert.

Belichtungszeiten von 20 Sekunden

Bei Weißwürsten frischt die Hausherrin Erinnerungen auf. Wer die Vergangenheit kennt, versteht die Gegenwart besser und kann Lehren für die Zukunft ziehen. Die Gastgeberin zeigt ein über 50 Jahre altes Buch ihres Vaters. Im Januar 1955 starb er mit 72 Jahren, kurz bevor dieser hochwertige Fotoband erschienen ist. In dem Buch wird Lazis Tochter Ursula erwähnt. Ist das ihre Schwester? Aber nein, sie ist es selbst. Schon früh hat sie den ungeliebten Vornamen Ursula in Saby geändert, in den Spitznamen ihrer Schulzeit.

Seine Porträts, erzählt die Galeristin, gestaltete ihr Vater, dessen Nachlass sich in der Lazi-Akademie in Esslingen befindet (beim Halbbruder der Galeristin), oft mit Belichtungszeiten von 20 Sekunden. Damit die menschlichen Motive nicht verwackelten, bediente er sich altertümlich anmutender Methoden. Seine Porträtierten saßen in einem Klubsessel. Von Armlehne zu Armlehne lag ein Brett, auf dem die Hände gestützt wurden. Der Kopf lehnte an einer Sperrholzplatte mit einem Loch in der Mitte. In dem Loch fand der Hinterkopf Halt.

Den „kastrierten Bonatz-Bau“ findet sie „furchtbar“

Bei jungen Menschen war der alte Lazi beliebt. Sie verehrten seine Geradlinigkeit und seine hohen Ansprüche. Auch die Tochter hat einen guten Draht zur Jugend. „Der Nachwuchs heute geht unbeschwerter an die Kunst heran als früher“, sagt sie, „das gefällt mir und beeindruckt mich.“ Von der hohen Warte des Bopsers hat man einen guten Überblick und kann manches besser einordnen, was sich unten in der Stadt tut.

„Furchtbar ist der kastrierte Bonatz-Bau“, ärgert sich Saby Lazi, „entschieden von Leuten, die keinerlei Verständnis für Baukultur haben und in ein paar Jahren sowieso hier nichts mehr zu sagen haben.“

Die Menschen vom Bosper halten zusammen. Für OB Fritz Kuhn, so schreibt er im Vorwort zum Buch, das Saby Lazi mit weiteren Bewohnern dieses Stadtteils geschrieben hat, klingt der Name Bopser „wie etwas Lebendiges, das man sehr gern haben könnte“. Der Name soll übrigens von einem kleinen Ort stammen, der in Vorzeiten am Hang des Bergs Bopsers lag – von Bubsingen.