Bei einer Umfrage des ADFC schneidet Vaihingen als fahrradunfreundlichste Stadt Deutschlands ab. Der Oberbürgermeister kann das nicht nachvollziehen, Fahrradfahrer sehen darin einen Denkzettel.

Vaihingen/Enz - Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) hat Schulnoten verteilt – und für Vaihingen ist das Zeugnis ein Desaster. Bei einer Umfrage zum Thema Fahrradfreundlichkeit landet die Stadt an der Enz auf dem letzten Platz – mit Abstand. Während die Kommune sich zu Unrecht so weit unten platziert sieht, sehen Kritiker der städtischen Fahrradpolitik in dem Ergebnis einen längst fälligen Denkzettel. Ein genauerer Blick auf die Studie hilft bei der Einordnung.

 

Der ADFC hatte im Herbst Radfahrer in Deutschland aufgerufen, online eine Einschätzung zum Radverkehr in ihrer Stadt abzugeben. Auf einer sechsstufigen Skala konnten die Teilnehmer Aussagen bewerten wie „Bei uns fühlt man sich als Radfahrer sicher“ beziehungsweise „Bei uns fühlt man sich als Radfahrer gefährdet“. Wer sich sehr sicher fühlt, gibt eine Eins, wer sich gefährdet fühlt, eine Sechs. Insofern entspricht die Skala den Schulnoten.

In allen Kategorien, beispielsweise Sicherheit, Komfort oder Infrastruktur des Verkehrswegenetzes, schnitt Vaihingen mit einer Schulnote von 5 oder schlechter ab. Damit ist die Stadt nicht nur Schlusslicht unter den baden-württembergischen Städten und Gemeinden mit bis zu 50 000 Einwohnern, sondern in allen Kategorien deutschlandweit Letzte. Zum Vergleich: Ludwigsburg schnitt mit einer Gesamtnote von 3,63 noch recht gut ab, Spitzenreiter im Ländle ist Tübingen mit 3,11.

Der Oberbürgermeister versteht das Ergebnis nicht

Warum dieses desaströse Ergebnis für Vaihingen? Der Oberbürgermeister Gerd Maisch kann es nicht verstehen. „Wir haben vielleicht nach objektiven Kriterien keine Eins verdient, aber sicher auch keine Sechs“, sagt er. Die Fernradwege seien gut ausgebaut, der Enztalradweg werde gut genutzt, und auch durch die Stadt gebe es touristische Radwege.

Ganz anders sieht das Rudolf Reuter. Für ihn kommt „die schlechte Note nicht zu Unrecht“. Reuter ist der Gründer der Fahrradbahn-Initiative in Vaihingen, einer Vereinigung von Bürgern, die sich dafür einsetzt, dass die stillgelegte Trasse der Württembergischen Eisenbahn-Gesellschaft (WEG) zum Fahrradweg umgenutzt wird. Die WEG-Trasse verläuft zwischen Kleinglattbach, Vaihingen und Enzweihingen und führt in Vaihingen vorbei an Schulen, städtischen Einrichtungen und dem Fernbahnhof – für Reuter wäre das ein idealer und vor allem sicherer Radweg.

„Die Stadt hat ihre Fahrradpolitik jahrzehntelang verschlafen“, sagt Reuter auch mit Blick auf die Entscheidung des Gemeinderats im November 2014, die Trasse zwar ins Radroutenkonzept aufzunehmen, aber nicht als „erste große Maßnahme“, wie es in der Vorlage hieß.

Die Radweginitiative übte damals in einem offenen Brief Kritik an dem Votum. Die Möglichkeit, bereits in diesem Jahr Fördergeld von bis zu 50 Prozent von Land und Bund für das etwa 2,8 Millionen Euro teure Vorhaben zu bekommen, sei damit vergeben. Das so bezeichnete „Leuchtturmprojekt“ war aufgeschoben. Zwei Wochen später endete die Befragung des ADFC – und 70 Teilnehmer gaben Vaihingen im Schnitt die Note 5,2. Ein Zufall?

Die Trasse kommt frühestens 2016

Der Oberbürgermeister Gerd Maisch möchte nicht spekulieren, „aber wenn einige aus der Bürgerinitiative dabei waren, würde mich das nicht wundern“. Er selbst ist ein Befürworter der Fahrradtrasse und der Meinung, dass sie für das Radwegekonzept Vaihingens das Rückgrat ist. Der Zeitplan für die Trasse sei durch die Entscheidung des Gemeinderats um ein halbes Jahr verschoben worden.

Noch vor den Sommerferien soll das Gremium die Prioritätenliste des Radkonzepts festlegen. Geht es nach Maisch, soll die Trasse darauf weit oben stehen. Wenn die Fördermittel bewilligt werden, könne frühestens 2016 mit dem Umbau begonnen werden, sagt Maisch. Auch mit Blick auf das schlechte Abschneiden in der ADFC-Umfrage fügt er hinzu: „Ich glaube, dass die WEG-Trasse uns auch einen Imageschub bringen würde.“