Morbus Amoritalis nennen Experten das, was sich am Valentinstag noch schlimmer anfühlt als es sowieso schon ist. Fakten zum Liebeskummer und Tipps gegen den Zustand, den jeder mal erlebt und niemand haben möchte.

Stuttgart - Liebeskummer trifft nicht nur Teenager. Der Schmerz nach einer Zurückweisung oder einer Trennung kann einen das ganze Leben einholen. Auch Alter und Weisheit schützt nicht vor Herzschmerz. Was dabei im Kopf und im Körper passiert, warum sich Erwachsene für ihren Liebeskummer oft schämen und wie man mit den negativen Gefühlen umgeht – ein Überblick zum Valentinstag.

 

Was passiert im Körper?

Bei Liebeskummer gerät man nicht nur unter enormen psychischen, sondern auch physischen Stress. „Das ist ähnlich wie bei der Trauer um einen nahestehenden Menschen, der verstorben ist“, sagt Sylvia Schmidt-Haßler, Heilpraktikerin für Psychotherapie und Liebeskummer-Expertin aus Merklingen. Im Gegensatz zum Zustand des Verliebtseins, bei dem der Körper vermehrt Glückshormone wie Endorphine und Dopamin ausschüttet, werden bei Kummer und Schmerz Stresshormone wie Cortisol produziert. Der US-Psychologe Guy Winch vergleicht den Liebesentzug mit einer Drogensucht: „Bei Liebeskummer werden dieselben Mechanismen im Gehirn aktiviert wie bei Kokain- oder Heroinsüchtigen.“ Daher sei man im Zustand des Liebesentzugs völlig auf die andere Person fokussiert.

Tipp: Ablenkung „Und wenn es noch so schwerfällt, sollte man versuchen, eine Zustandsveränderung herbei zu führen. Am besten durch Sport, etwa Tanzen, Joggen, Schwimmen oder was einem Spaß macht, auf jeden Fall Bewegung“, sagt Silvia Schmidt-Haßler.

Was sind die Symptome?

Sie ähneln denen einer Depression: „Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Gedankenkreisen, Angstzustände, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Kopf- und Bauchschmerzen“, sagt Elena Sohn, Heilpraktikerin für Psychotherapie und Gründerin der Liebeskummer-Praxis „Die Liebeskümmerer“ in Berlin. Sie hat diverse Bücher zum Thema geschrieben. Die schlimmste Form des Liebeskummers ist das so genannte Broken Heart Syndrom, es treten Symptome wie bei einem Herzinfarkt auf, zum Beispiel ein Engegefühl im Brustbereich oder Herzstechen.

Tipp: Reden „Zuerst braucht man dringend eine Buddy-Liste, also Menschen, die man zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen kann, und die einfach zuhören“, sagt Sylvia Schmidt-Haßler. Wenn das nicht hilft oder es niemanden gibt, sollte man zum Arzt gehen, der einen gegebenenfalls zu einem Spezialisten schickt. Therapeuten und Coaches, die sich auf das Thema Liebeskummer spezialisiert haben, gibt es inzwischen einige.

Ist der Liebeskummer größer je länger die Beziehung gedauert hat?

„Nein. Die Schwere des Kummers hängt eher von der Intensität der Beziehung ab als von deren Länge“, sagt Elena Sohn. „Und natürlich davon, wie unfreiwillig eine Trennung erfolgt ist.“ Gerade in der Anfangsphase einer Beziehung ist man stark im Rausch der Gefühle. Wird dieser Zustand jäh beendet, kann der Entzug von der verlassenen Person als besonders dramatisch empfunden werden.

Tipp: Hoffnung aufgeben Fast jeder mit Liebeskummer hofft darauf, dass es sich der Ex-Partner anders überlegt und zurückkommt. „Bei Liebeskummer ist Hoffnung nicht hilfreich, weil es bedeutet, dass man die Realität leugnet“, sagt der Psychologe Guy Winch. Hoffnung würde nur dazu führen, dass man länger an den Dingen festhalte, an denen man nicht mehr festhalten sollte.

Warum schämen sich viele für ihren Zustand?

„Liebeskummer gilt als typische Teenager-Krankheit. Erwachsene tun ihre Beschwerden schnell ab oder verdrängen sie, auch, weil sie sie nicht wahrhaben wollen und im Alltag weiter funktionieren müssen“, sagt Andrea Gündera, Heilpraktikerin und Liebeskummer-Coach aus der Nähe von Reutlingen. Besonders Männer hätten Schwierigkeiten über ihren Zustand zu sprechen. „Männer reden normalerweise mit niemandem über ihren Kummer. Sie schämen sich, denken, sie hätten einen an der Waffel, bis ich ihnen erklärt habe, was da in ihrem Hirn und im Körper vor sich geht“, sagt die Liebeskummerexpertin und psychologische Beraterin Silvia Fauck aus Berlin.

Tipp: Locker lassen Seinen Schmerz leugnen, klein zu reden oder sich dafür Vorwürfe zu machen, bringt gar nichts. Im Gegenteil: Liebeskummer im Erwachsenenalter kann sich schnell zu einer Lebenskrise entwickeln.

Warum heilt die Zeit doch nicht alle Wunden?

„Mit der Zeit bekommt man zwar Abstand zu seinem Schmerz und leidet nicht mehr akut, aber vergessen wird man eine schlimme Phase des Liebeskummers wohl ein Leben lang nicht“, sagt die Liebeskummer-Expertin Andrea Gündera. Zumal bei Erwachsenen eine Trennung oft existenzieller sei als in jungen Jahren. „Es hängt bei den meisten viel mehr dran: Kinder, Immobilien, ein Freundeskreis. Da liegt ein ganzer Scherbenhaufen vor einem, und man wird stärker mit der Endlichkeit konfrontiert. Wenn man jung ist, ist es leichter, noch einmal von vorne anzufangen.“

Tipp: Reflektieren „Es ist wichtig, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich genau anzusehen, was vorgefallen ist“, sagt Silvia Fauck. Man sollte prüfen, welche Erwartungen man an die zerbrochene Partnerschaft hatte und ob diese nicht auch einfach viel zu hoch waren oder ob man bei wichtigen Dingen weggeschaut hat.

Warum ist Liebeskummer für Teenager so schlimm?

Sie erleben alles zum ersten Mal: das Glücksgefühl des Verliebt-Seins und das Jammertal des Schmerzes wenn die Beziehung zerbricht. „Teenager haben noch keine Referenzerfahrung, die ihnen sagt, dass man sich tatsächlich noch einmal neu verlieben kann“, sagt Sylvia Schmidt-Haßler. Für sie bricht die Welt zusammen, alles ist aus. Umso dringender muss man sie in ihrem Schmerz begleiten.

Tipp: Ernst nehmen Dem Betroffenen zuhören, trösten, Verständnis zeigen. Gut gemeinte Ratschläge wie „Andere Mütter haben auch schöne Töchter/ Söhne“ sind kontraproduktiv. Schöne, unaufgeregte Dinge gemeinsam tun: Filme anschauen (keine Liebesfilme), kochen, Pizza bestellen. Auch anwendbar bei Liebeskummer-geplagten Erwachsenen übrigens.