Ähnlich wie bei der bundesweit beachteten Schlichtung zu Stuttgart 21 soll auch über die Frage, wie die Gäubahn an Stuttgart angeschlossen wird, ergebnisoffen diskutiert werden. Das fordern der Verkehrsclub Deutschland und der Fahrgastverband Pro Bahn. Und sie haben auch einen Vorschlag.

Stuttgart - Die Schlichtung zu Stuttgart 21 ist Teil der Stadtgeschichte und hat bundesweit Aufsehen erregt. Jetzt – ein Jahrzehnt später – fordern die ökologisch orientierten Verbände Verkehrsclub Deutschland (VCD) und Fahrgastverband Pro Bahn einen neuen „Dialog Stuttgart 21 plus“. Auslöser ist der Vorschlag des Bundes, auf den Fildern einen zusätzlichen Gäubahntunnel zu graben, um den Schienenweg aus dem Bodenseeraum und der Schweiz direkt (und nicht über die S-Bahn-Gleise) an den Flughafen zu führen, was bei der Bahn nicht für Jubelstürme sorgte. „Der Gäubahntunnel hat Vor- und Nachteile“, sagt der VCD-Landeschef Matthias Lieb. „Er ist nicht alternativlos“, befindet Andreas Kegreiß von Pro Bahn.

 

Kopfbahnhof-Erhalt nicht konsensfähig

Lieb und Kegreiß, beide ausgewiesene S-21-Gegner, favorisieren zwar nach wie vor einen teilweisen Erhalt des bestehenden Kopfbahnhofs für die Gäubahn, weil sie im S-21-Tiefbahnhof Kapazitätsengpässe befürchten und weil dadurch eine jahrelange Unterbrechung der Verbindung vermieden würde. Doch dies wird von Bahn, Stadt und Region genauso abgelehnt wie die von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ins Gespräch gebrachte unterirdische Ergänzungsstation. „Die Variante mit der Anbindung in einen Teil-Kopfbahnhof ist derzeit nicht konsensfähig in der Politik", so Lieb.

Gäubahn wird in S-21-Tunnel eingeschleift

Beide Bahnexperten bringen ein stufenweises Konzept „Filder plus“ zur Anbindung der Gäubahn ins Gespräch, das bestehende Infrastruktur nutze, weniger Kosten verursache und den Anforderungen des Deutschlandtakts entspreche, der im Stundenrhythmus große Städte verbindet. Kernstück ist ein unterirdischer Kreisbogen, der die Gäubahn auf Höhe des Nordbahnhofs in den aus Bad Cannstatt kommenden S-21-Tunnel einschleift und so in den Tiefbahnhof führt. Damit Fahrgäste der Gäubahn auch zur Messe und zum Flughafen kommen, sollen die Züge in Böblingen „geflügelt“ werden – der vordere Zugteil fährt über S-Vaihingen zum Hauptbahnhof, der hintere mit Halt in Leinfelden und Echterdingen zur S-Bahnstation Terminal am Flughafen.

Gäubahntunnel teuer und „höchst fraglich“

Für diese Lösung seien zwei, rund 1,8 Kilometer lange „Ergänzungen“ der bestehenden Infrastruktur nötig, die nicht mehr als 300 Millionen Euro kosten würden und „relativ schnell umsetzbar“ seien, so Lieb. Dagegen werde der zwölf Kilometer lange Gäubahntunnel, dessen Wirtschaftlichkeit noch nicht nachgewiesen sei, mit bis zu 1,5 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Es sei „höchst fraglich“, ob er angesichts des Investitionsstaus bei der Bahn rasch realisiert werden könne, wodurch die Gefahr bestehe, dass die Gäubahn jahrelang nicht ins Stadtzentrum fahren werden, sondern im „Vorortbahnhof Vaihingen“ ende. Auch mit Blick auf weitere S-Bahn-Projekte (Verlängerung Filder-Neckartal, Übereckverbindungen Panoramastrecke/Cannstatt in Richtung Feuerbach) müssten die Verantwortlichen zu einem „ergebnisoffenen Dialog“ an einen Tisch, fordert Lieb.

Verkehrsminister lässt prüfen

Sein Ministerium, das „sehr aufgeschlossen“ gegenüber dem Gäubahntunnel sei, werde das Konzept prüfen, erklärte Hermann. Es müsse den Anforderungen des Deutschlandtakts und der umsteigefreien Anbindung der Gäubahn an den Flughafen genügen. Auch die Regionalversammlung beschäftigt sich an diesem Mittwoch mit der Eisenbahninfrastruktur. Im Beschlussvorschlag, der eine Mehrheit finden dürfte, unterstützt sie den Gäubahntunnel und Ausbaupläne im Nordzulauf, bekräftigt ihr Nein zu einer Ergänzungsstation in der Stadtmitte und lässt den Bau eines dritten Gleises an der S-Bahnstation Mittnachtstraße prüfen.