Was geschieht, wenn ein Fleischsommelier und eine Veganerin zusammen kochen? Christina Rhodes und Salvatore Abastante haben es ausprobiert. Er berät im Restaurant in Sachen Fleisch, sie bietet vegane und vegetarische Kochkurse an.

Degerloch - Das Du kommt beim Seitan-Rühren. Aus Frau Rhodes und Herrn Abastante werden Christina und Salvatore. Und aus Weizeneiweiß wird ein äußerst delikates Mahl. Letzteres wird wohl eher überzeugte Fleischesser erstaunen. Dass Christina Rhodes und Salvatore Abastante sich duzen, könnte bei eingefleischten Vegetariern und Veganern für Verwunderung sorgen. Denn Salvatore Abastante ist diplomierter Fleischsommelier und Christina Rhodes bis auf wenige, eiförmige Ausnahmen Veganerin. So trifft an diesem Nachmittag eine Frau, die darauf achtet, keine Lederkleidung zu tragen, auf einen Mann, der zum gemeinsamen Kochen eine schwarze Lederschürze mitgebracht hat.

 

Die Vertreter zweier Pole

Christina Rhodes, die an der Epplestraße 9 unter dem Titel „Eat Strong“ vegane und vegetarische Kochkurse anbietet, empfängt Salvatore Abastante, der bis vor Kurzem die Gäste des Pier 51 bei der Wahl des besten Stücks Fleisch beraten hat. Er bekommt heute von Rhodes eine Einführung ins vegane Kochen. Es ist ein kleines Experiment: Was geschieht, wenn die Vertreter zweier Pole in Sachen Ernährung aufeinandertreffen?

Rhodes wirft einen der drei Gasherde in ihrer Lehrküche an und erwärmt Reismilch. Gemixt mit über Nacht eingeweichten Cashewnüssen und Agavendicksaft wird daraus der Nachtisch des Drei-Gänge-Menüs. „Nüsse als Eiweißlieferanten spielen eine große Rolle in der veganen und vegetarischen Ernährung“, erklärt die 56-Jährige, die seit rund 30 Jahren auf Fleisch verzichtet. Zur Cashew-Creme soll es Erdbeermousse geben. Der Fleischsommelier staunt über das vegane Geliermittel Agar-Agar, das Rhodes dafür verwendet. Auch die Hackfleisch ersetzenden Soja-Schnetzel sind neu für Abastante.

Mit Fleisch ist er sehr pingelig

Dabei hat der 46-Jährige selbst schon eine ganze Zeit lang auf Fleisch verzichtet: „Ich habe kiloweise Erdbeeren gegessen, und einmal im Monat gab es eine Eiweißspritze mit einer Dose Thunfisch“, erzählt der gebürtige Italiener. Dass sich jemand vegetarisch ernährt, kann er also durchaus nachvollziehen. Wegen des Sports habe er es wieder gelassen. Und als diplomierter Fleischsommelier ist es ohnehin nicht denkbar. „Ich bin beim Fleisch pingelig und versuche, nur Fleisch aus artgerechter Haltung zu essen“, sagt Abastante und erzählt von Bio-Bauern in Göppingen, die nicht von ihren Erträgen leben könnten, weil sie nicht subventioniert würden. „Politisch läuft viel verkehrt“, konstatiert Abastante, und Rhodes nickt dazu voller Zustimmung. Der gemeinsame Nenner ist gefunden. Pünktlich zur Vorspeise.

Bei Gurkensalat mit Sojajoghurt und Daal, einer indischen Linsensuppe, dreht sich das Gespräch um die Gesundheit von Fleisch. Christina Rhodes erzählt von der Korrelation von Fleischkonsum und Darmkrebs. Aber sie tut es nicht mit erhobenem Zeigefinger. Ohnehin hat die Waldenbucherin keine militante Attitüde: „Ich kann nicht mit dem Finger auf andere zeigen, ich habe ja früher selbst Fleisch gegessen.“ Tatsächlich ging es auf den Tellern ihrer Kindheit ziemlich tierisch zu. Rhodes stammt aus einer Metzgerfamilie. Das Haus, in dem sie seit dem vergangenen Jahr ihre tierfreien Kochkurse anbietet, beherbergte früher das Gasthaus Ochsen. Davon zeugen noch die Tassen mit Ochsenkopf-Emblem, die in der Ecke stehen. Zwei Erlebnisse ließen sie letztlich die „Verbindung vom Teller zum Tier“ ziehen und Vegetarierin werden: Einmal sollte sie Forellen kaufen und wurde Zeugin des Todes der Fische. Das andere Mal sah sie in der Markthalle einen halbgerupften Fasan. Wegen ihrer Empathie gegenüber Tieren möchte sie eigentlich ganz vegan leben, doch ein, zwei Eier im Monat gönnt sie sich und hin und wieder ein Stückchen Käse, weil es dafür noch keinen guten Ersatz gebe. Wobei sie darauf achtet, dass der Käse mit mikrobiellem Lab hergestellt wurde, dafür also keine Kälber sterben mussten.

Hirschhorn ist aber nicht vegan

Wenn Salvatore Abastante Fleisch isst, hat er am liebsten ein Rib-Eye-Steak aus Australien. Die Tiere, die dort für den europäischen Markt geschlachtet werden, hätten keinen Hormonclip im Ohr, die das Wachstum ankurbeln. Dafür sei die vegane Wurst, die man immer häufiger und günstiger in den Supermärkten findet, laut Abastante „eine Verarsche von Rewe und Co.“, weil statt Fleisch Chemie darin sei. Das hat er während seiner Ausbildung zum Fleischsommelier am Wiener Wirtschaftsförderungsinstitut gelernt.

Abastante und Rhodes kennen sich aus mit Ernährung und stimmen darin überein, dass man, einmal angefangen, nicht mehr aufhören kann, sich damit zu beschäftigen. Doch dogmatisch ist keiner der beiden. „Jeder muss schauen, was für ihn praktikabel ist“, sagt Rhodes. Nicht wirklich praktikabel ist für Abastante allerdings das Würfeln der Zwiebel für das Seitan-Spinat-Gericht: Rhodes’ Messer sind ihm zu stumpf. Er hat zwar sein eigenes mitgebracht, aber das ist nur zum Tranchieren gedacht. Und es hat einen Hirschhorngriff. „Das ist aber mal überhaupt kein veganes Messer“, sagt Rhodes und lacht.