Die Rohbauten stehen: Auf dem ehemaligen Salutas-Gelände an der Dieselstraße und bei den Kliniken Schmieder wird an diesem Donnerstag Richtfest gefeiert. Doch die Freude über Hunderte Arbeitsplätze ist ein wenig getrübt.

Gerlingen - Hundert Betten mehr für Patienten und Hunderte Arbeitsplätze: In das frühere Salutas-Gelände in der Dieselstraße und in die Kliniken Schmieder in Gerlingen fließen insgesamt rund 120 Millionen Euro. Die dunklen Wolken über dem Industriegebiet haben sich indes noch nicht ganz verzogen.

 

Die Zahlen lesen sich stattlich: Bis zu 800 Menschen können künftig auf dem früheren Salutas-Gelände an der Dieselstraße arbeiten. Allein der Technologiekonzern Bosch wird als der Hauptmieter die Hälfte des Gebäudekomplexes nutzen, um Arbeitsplätze für 500 bis 600 Mitarbeiter zu schaffen. Wie viele es tatsächlich sein werden, ist noch offen: Derzeit werde die Mitarbeiter-Bedarfsplanung erstellt, sagt die Sprecherin Claudia Arnold.

Umzug aus dem Nachbarort nach Gerlingen

Jedoch sind die Jobs dort keine zusätzlichen im Unternehmen: „Der Großteil der Mitarbeiter zieht aus einem Mietobjekt in Ditzingen aus“, sagt Claudia Arnold. In Gerlingen wolle man die Beschäftigten zusammenführen und besser vernetzen. „Die Büroflächen liegen verkehrsgünstig und sind zur passenden Zeit verfügbar“, begründet Claudia Arnold das Ja zur Dieselstraße. Sie ist nur wenige Kilometer entfernt von der Unternehmenszentrale auf der Schillerhöhe. Bei den Arbeitsplätzen im Industriegebiet handele es sich um Verwaltungsjobs vorwiegend im Finanz- und Rechnungswesen.

Gut 80 Millionen Euro investiert die Münchner Gieag Immobilien in die vier Bürohäuser. Der erste Bauabschnitt soll Ende des Jahres fertig sein, der zweite in einem Jahr. Der Sprecher Dieter Munk nennt den Komplex „am Tor zu Gerlingen“ einen „Hingucker“. Im Erdgeschoss unter Bosch richtet der Caterer Aramark Gastronomie ein. Davon profitiere auch das Umfeld, meint Dieter Munk: Aramark rechne mit 750 Tischgästen zum Mittagessen. Wer die andere Hälfte des Gebäudes mietet, soll bald festgezurrt sein. „Wir haben mit drei Kandidaten intensiv gesprochen“, sagt Dieter Munk dazu nur.

Viele Arbeitsplätze, innerörtliche Verdichtung, wenig Lärm und Dreck, weil sich nicht produzierendes Gewerbe ansiedelt: Auch für die Stadt Gerlingen ist das Bauprojekt am Ortseingang „von großer Bedeutung“. Gleichwohl liegen noch immer dunkle Wolken über dem Areal.

2016 verloren rund 300 Menschen ihren Arbeitsplatz

Ende 2016 verloren rund 300 Menschen ihren Arbeitsplatz, nachdem der Pharmakonzern Sandoz den Gerlinger Standort seiner Tochtergesellschaft Salutas geschlossen hatte. Der Grund: Der Standort könne nicht mehr kosteneffizient geführt werden. Der Widerstand war groß – und vergebens. Danach, im Februar 2018, protestierten Anwohner gegen die Pläne der Gieag. Sie fürchteten vor allem Verkehrsprobleme wegen Hunderter zusätzlicher Autos. Laut Dieter Munk hätte man bei zwei Gesprächen mit der Nachbarschaft den Zwist beseitigt, „fast alle“ aus dem Umfeld kämen zum Richtfest.

„Fast alle“ sind aber nicht alle, und das ist der Knackpunkt: Der Stadt liegt gegen die Baugenehmigung ein Widerspruch vor – obwohl sie die Belange der Nachbarschaft im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens „intensiv geprüft und berücksichtigt“ habe, sagt eine Sprecherin.

Mehr Details gibt sie nicht preis. „Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.“ Damals war es der Chef einer benachbarten Firma, der ankündigte, zu prüfen, ob man gegen die Baugenehmigung klagen könne. Er war am Mittwoch nicht zu erreichen. Die Stadt dürfte aber auf der sicheren Seite sein, sonst wären die Bauarbeiten nicht so weit gediehen und Mietverträge geschlossen.

Die Schmieder Kliniken bekommen rund 100 zusätzliche Betten

Rund 40 Millionen Euro investieren die Kliniken Schmieder an ihrem Standort in Gerlingen in einen Neubau. Damit will die Klinik bis Herbst 2020 rund hundert zusätzliche Betten schaffen. Außerdem sollen dafür nach Unternehmensangaben rund hundert zusätzliche, qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen werden.

„Mit dem Neubau können wir nicht nur die Versorgungslücke in der Neurologischen Rehabilitation im Großraum Stuttgart schließen, sondern auch den Patienten eine wohnortnahe Versorgung bieten“, sagt Miriam Thiel, die Geschäftsleiterin der drei Stuttgarter Schmieder-Standorte. Das erleichtere den Kontakt zu den Angehörigen und fördere so den Erfolg der Rehabilitation.

Auf der Schillerhöhe entsteht ein viergeschossiger Neubau mit insgesamt rund 5500 Quadratmeter Nutzfläche. Laut Ulrich Sandholzer, dem Geschäftsführer der Kliniken Schmieder, ist die Klinik seit vielen Jahren voll belegt. „Die Nachfrage aus der Metropolregion übersteigt die Anzahl der Betten und Behandlungsplätze, die wir bisher vorhalten konnten.“

Kliniken kooperieren

Der Standort in Gerlingen besteht seit 1998. Im Jahr 2009 wurde das erste Mal erweitertet. Jährlich versorgen dort nach Klinik-Angaben rund 250 Mitarbeiter 2000 neurologische Patienten aller Schweregrade. Seit 1998 besteht eine enge Kooperation zur benachbarten Klinik Schillerhöhe. Sie gehört zum Robert-Bosch-Krankenhaus. Die beiden Häuser auf der Schillerhöhe kooperieren bei der der Speisenversorgung aber auch bei der Nutzung diagnostischer Geräte. Insgesamt betreiben die Kliniken Schmieder sechs Kliniken im Land. Die Klinik Schillerhöhe wird grundlegend umstrukturiert, so wird etwa die chirurgische Abteilung ins Robert-Bosch-Krankennhaus verlagert. Ob – und wie sich dann eine Zusammenarbeit mit den Nachbarn ausgestaltet, ist offen. „Wir sind weiterhin an einer Kooperation stark interessiert“, sagt die Geschäftsleiterin Miriam Thiel.