Im Grundsatz ist man sich im Landtag einig: Richter und Staatsanwälte müssen auch optisch eine neutralen Eindruck erwecken. Doch um die Kleidung ehrenamtlicher Richter entzweien sich die Geister.

Stuttgart - Das gesetzliche Verbot religiöser Kleidungsstücke in Gerichten geht der Opposition im Landtag nicht weit genug. Der von Justizminister Guido Wolf (CDU) eingebrachte Gesetzentwurf betrifft nur hauptamtliche Richter, Staatsanwälte und Rechtsreferendare, die nun etwa keine Kopftücher, Kippas oder politische Symbole mehr tragen dürfen. Dass Schöffen und andere ehrenamtliche Richter von der Neuregelung ausgeschlossen sind, monierten Redner von SPD, FDP und AfD am Mittwoch im Landtag in Stuttgart.

 

Auch der CDU-Abgeordnete Bernhard Lasotta zeigte sich nicht zufrieden mit der unterschiedlichen Vorgabe: „Jeder, der Recht spricht, hat eine Stimme. Ein bisschen neutral gibt es nicht, so, wie es ein bisschen schwanger auch nicht gibt.“ Er halte die Unterscheidung für angreifbar, stehe aber zu dem Kompromiss mit dem grünen Koalitionspartner.

Repräsentieren Ehrenamtliche den Durchschnitt der Bevölkerung?

Der Grünen-Rechtsexperte Jürgen Filius verteidigte die „schlanke“ Lösung. Ehrenamtliche repräsentierten in einem Verfahren die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit und in ihren Facetten. „Die Einführung einer Amtstracht, um diese gesellschaftliche Vielfalt nach außen hin zu verbergen, würde dem Schöffenprinzip widersprechen.“ Minister Wolf betonte: „Hierdurch ergibt sich keine Relativierung der großen Bedeutung oder der Rechte der Ehrenamtlichen.“

Das sieht der Verein Richter und Staatsanwälte Baden-Württemberg ganz anders. Die ehrenamtlichen Richter - meist honorige Bürger - würden von den Kommunen den Gerichten vorgeschlagen und repräsentierten gerade nicht den Durchschnitt der Bevölkerung. Das Gesetz schließe Hunderte von ehrenamtlichen Richtern von der Pflicht aus, neutrale Kleidung zu tragen, darunter Handels-, Landwirtschafts-, Arbeitsrichter.

Der Gesetzentwurf ist aus Sicht der SPD-Fraktion keine pragmatische, sondern eine ideologische Lösung, die mehr durcheinander bringe als klarstelle. Rechtsexperte Sascha Binder sagte: „In dem Moment, in dem die Schöffinnen und Schöffen vorne sitzen und sogar einen Berufsrichter überstimmen können, da müssen Sie mir einmal sagen, welche Unterscheidung Sie hier eigentlich treffen.“ Die FDP nannte die Differenzierung absurd, die AfD hält sie für nicht nachvollziehbar.

Neutralität der Rechtsprechung nach außen deutlich machen

Als bundesweit erster Landesjustizminister reagiert Wolf auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom Juni 2016 mit einem Gesetz. Das Gericht hatte ein vom bayerischen Justizministerium erlassenes Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen für unzulässig erklärt, weil dieser Eingriff in die Religionsfreiheit nicht auf einem formellen Gesetz beruhte. Im Anschluss hatte sich in Baden-Württemberg eine Rechtsreferendarin an das für die Ausbildung zuständige Oberlandesgericht gewandt und angekündigt, künftig in Ausübung der Sitzungsvertretung der Staatsanwaltschaft ein Kopftuch zu tragen.

Nach den Worten von Wolf soll das Gesetz die strikte Neutralität der Rechtsprechung nach außen deutlich sichtbar machen und jeden Anschein von Voreingenommenheit ausschließen. Mit dem Gesetz sei eine Abwägung der Verfassungsgüter freie Religionsausübung und Berufswahl sowie strikte Neutralität und Unabhängigkeit der Justiz gelungen.