Ludwigsburg verzichtet auf den verkaufsoffenen Sonntag im Juli – und hofft, Verdi damit zu besänftigen. Doch die Gewerkschaft gibt sich kompromisslos und kündigt weitere Klagen an, unter anderen gegen Kornwestheim und Bietigheim-Bissingen.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Nun also doch. Vor wenigen Wochen hatte sich Ludwigsburg kämpferisch gegeben und erklärt, an allen geplanten Shoppingsonntagen in diesem Jahr festhalten zu wollen – obwohl die Gewerkschaft Verdi gerade äußerst erfolgreich gegen die Sonntagsöffnung juristisch zu Felde zieht. Jetzt machen die Einzelhändler einen Rückzieher und verzichten auf den Termin im Juli. Die Absage geschieht offensichtlich auch mit Blick auf die anstehende Gerichtsverhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Am 20. März haben die Richter dort zu entscheiden, ob die Regelungen zu den verkaufsoffenen Sonntagen in Ludwigsburg zulässig sind oder nicht.

 

Verdi hält sie für unzulässig und hat dagegen geklagt – und die Händler sind allem Anschein nach nicht mehr restlos überzeugt, vor Gericht gewinnen zu können. „Wir konzentrieren uns jetzt auf die zwei etablierten Veranstaltungen“, sagt Carsten Gieck, der Vorsitzende des Innenstadtvereins Luis. „Wir wollen den Bogen nicht überspannen und hoffen, dass wir zu einem Konsens mit Verdi kommen.“

Die Premiere wird niemals stattfinden

Der Juli-Termin war erst vor wenigen Monaten neu eingeführt und vom Gemeinderat genehmigt worden, hat de facto also noch nie stattgefunden. Gekoppelt war er an das Naturvision-Filmfestival. Dass man jetzt darauf verzichte, die Läden an dem Tag zu öffnen, sei ein Zeichen an Verdi, dass man die Bedenken ernst nehme, sagt der städtische Wirtschaftsförderer Frank Steinert. Im Gegenzug erwarte man, dass die zwei übrigen Shoppingsonntage in der Innenstadt bestehen bleiben.

Die Stadt setzt also darauf, dass Verdi sich besänftigen lässt und die Kampagne gegen die Sonntagsöffnung stoppt. Doch für die Gewerkschaft steht viel auf dem Spiel. Ihr geht es nach eigenem Bekunden darum, Mitarbeiter in den Läden vor übergroßen Belastungen zu schützen. Sonntagsarbeit sei leider in vielen Branchen notwendig, nicht aber im Einzelhandel, sagt Verdi und verweist auf die engen Grenzen, die das Bundesverwaltungsgericht gesetzt hat. Erlaubt sind verkaufsoffene Sonntage nur als Annex zu anderen Veranstaltungen, etwa besucherträchtigen oder traditionsreichen Festen. Das Fest muss dabei im Mittelpunkt stehen und als eigenständiger Publikumsmagnet funktionieren, während die offenen Läden lediglich ein Sahnehäubchen sein dürfen.

Verdi lässt nicht locker, im Gegenteil

Auf dieser Grundlage hat Verdi gegen Sindelfingen geklagt und gewonnen. Stuttgart verzichtet, ebenfalls wegen Verdi, seit Jahren auf verkaufsoffene Sonntage in der City. Herrenberg sieht sich, wie Ludwigsburg, mit einer Klage konfrontiert. Und gegenüber unserer Zeitung kündigt der Verdi-Bezirkschef Cuno Brune-Hägele jetzt weitere Prozesse an. „Wir gehen davon aus, dass viele Verkaufssonntage in der Region nicht zu halten sind, und prüfen entsprechende Klagen“, sagt er.

Konkret nennt Brune-Hägele die Ladenöffnung anlässlich der Automeile in Kornwestheim. Die Veranstaltung ist bereits in vier Wochen. Um die Ladenöffnung zu verhindern, müsste Verdi also einen Eilantrag stellen. Ob es dazu kommt, lässt Brune-Hägele offen: „Wenn wir dieses Jahr nichts machen, dann spätestens 2020“, sagt er. Auch in Bezug auf Bietigheim-Bissingen gebe es entsprechende Überlegungen. In der dortigen Innenstadt gebe es „verschiedene verkaufsoffene Sonntage, die wir uns genauer anschauen“.

Auch die verkaufsoffenen Sonntage bei Breuninger stehen auf der Kippe

Es sieht also nicht danach aus, dass die Gewerkschaft locker lässt, und das gilt auch für Ludwigsburg. Mit dem Verzicht auf den Juli-Termin habe die Stadt einen Konfliktpunkt aus dem Weg geräumt, sagt Brune-Hägele. „Aber mit uns gibt es keinen Deal.“ Vier weitere Konfliktpunkte seien übrig. Diese werde man juristisch ausfechten.

Konkret bezieht sich Verdi auf die zwei übrigen Shoppingsonntage in der Innenstadt anlässlich der Eröffnung des Blühenden Barocks im März und des Kastanienbeutelfests im Herbst. Sowie auf zwei Termine am Stadtrand bei Breuningerland, die an Oldtimerschauen gekoppelt sind. Für Verdi sind dies „reine Alibiveranstaltungen“, die juristisch „auf sehr wackligen Beinen stehen“.

Gehören Drohungen zur Strategie?

Zur Wahrheit gehört aber ebenfalls, dass Drohungen für Verdi Teil der Strategie sind. So wollte die Gewerkschaft 2018 in Kornwestheim die Sonntagsöffnung zum Stadtfest verhindern, doch zur Klage kam es nicht. Auch die Verdi-Kritik an Bietigheim-Bissingen ist nicht neu, mündete aber nie in einen Prozess. Die drei Shoppingsonntage in der dortigen Innenstadt sind an Feste angehängt. Es handle sich um „etablierte und gut besuchte Veranstaltungen“, sagt die Stadtsprecherin Anette Hochmuth. Man sei überzeugt, „alle rechtlichen Kriterien zu erfüllen“.

Für Bietigheim-Bissingen heißt es nun: abwarten, ob und wann Verdi den nächsten Schritt macht. Für Ludwigsburg ist diese Phase bald vorbei. Die Verhandlung in Mannheim ist für den hiesigen Einzelhandel von enormer Bedeutung. Shoppingsonntage sind ein Umsatzgarant, locken Menschen aus der ganzen Region in die City und werden somit zunehmend zum Imagefaktor. „Das Argument, dass Verdi Mitarbeiter schützen möchte, mag ja seine Berechtigung finden“, sagt Frank Steinert. Andererseits stehe der Handel vor großen Problemen und sei angesichts der Konkurrenz im Internet auf jeden Umsatz angewiesen. „Das sollte Verdi bedenken. Sonst hat die Gewerkschaft vielleicht bald keine Mitglieder mehr, die sie schützen kann.“