Eine Gruppe von Ditzingerinnen mehrerer Generationen eint ein Ziel, das viel mit Gesellschaftspolitik und nur noch am Rande mit dem traditionellen Kuchenbacken zu tun hat.

Ditzingen - Das Jahrbuch enthält viele Rezepte und ist nach wie vor ein Renner. Was die Landfrauen im Landkreis Jahr für Jahr herausgeben, muss die Konkurrenz der Rezeptsammlungen im Internet nicht scheuen. „Die Rezepte sind alle erprobt“, sagt Ruth Kocher. Das mache den Erfolg des Buches aus, ist die Vorsitzende der Ditzinger Landfrauen überzeugt.

 

Ruth Kocher steht seit 2010 an der Spitze der Ortsgruppe, die vor 70 Jahren zu den ersten im Landkreis gehörte. Doch selbst wenn die Rezepte der Landfrauen nach wie vor gefragt sind, hält es der Verein keineswegs für sein maßgebliches Ziel, für die regionale, saisonale Küche zu werben. Das sei weder heute noch in der Vergangenheit die Hauptaufgabe gewesen, macht Kocher deutlich: „Wir backen nicht nur.“

Kreisweit einer der ersten Ortsvereine

Genauso wenig habe der Verein nur eine Zielgruppe: „Es geht um die Verbesserungen von Arbeitsbedingungen“, nennt Kocher eine Aufgabe des Vereins, „nicht nur um die Arbeitsbedingungen für Bäuerinnen“. Der Bundesverband kämpft beispielsweise gegen Altersarmut und stellt fest: Frauen müssten im Alter mit rund halb so viel Rente auskommen wie Männer.

Der Ditzinger war einer der kreisweit ersten Ortsvereine gewesen. Die damalige Geschäftsführerin des Kreisverbandes hatte den Anstoß dazu gegeben. 1949 taten sich sieben Frauen zusammen unter dem Vorsitz von Emilie Renschler und Lene Mezger. Sie blieben bis 1955 im Amt.

Möglicherweise war die frühe Gründung auf die Nähe zu Schwieberdingen zurückzuführen. Dort hatte sich unmittelbar nach dem Krieg Marie-Luise Gräfin Leutrum von Ertingen für den Neubeginn der Landfrauenarbeit eingesetzt. Sie erachtete es als notwendig, alle Frauen im ländlichen Raum zusammenzubringen, um sie unter anderem in den Bereichen Familie, Hauswirtschaft und Gesundheit zu beraten und weiterzubilden. Amerikanische Alliierte unterstützten dieses Bemühen. Marie-Luise Gräfin Leutrum von Ertingen war die erste Präsidentin des 1947 in Ludwigsburg gegründeten Landfrauenverbands Württemberg-Baden.

Schwerpunkt Erwachsenenbildung

Zunächst stand die Weiterbildung der Frauen im Mittelpunkt des Vereinslebens. Die Mütter sollten Chancen bekommen, die ihnen, wenn sie ausschließlich zuhause für die Familie verantwortlich waren, nicht geboten worden wären. Mit dem gesellschaftlichen Wandel änderten sich auch die Angebote der Landfrauenvereine. „Schwerpunkt ist immer noch die Erwachsenenbildung“, sagt Kocher. Aber die Frauen befassen sich auch mit gesellschaftspolitischen Themen. Sei es Fairtrade oder Vermeidung von Plastikmüll oder Lebensmittelverschwendung. Beim Thema Lebensmittel findet auch Kocher deutliche Worte. Sie plädiert für ein Umdenken. „Lebensmittel sind zu billig.“ Jedem sei Tierschutz wichtig, aber er müsse auch bezahlt werden. Ein anderes Beispiel sei das große Sortiment in den Ladengeschäften abends kurz vor Ladenschluss. „Alles ist vorhanden. Danach wird es vernichtet“, ist sie überzeugt. Und Äpfel, die nicht gespritzt sind, könnten eben nicht aussehen „wie gemalt“.

Keine parteipolitischen Äußerungen

Parteipolitisch äußern sich die Landfrauen nicht. Dies überlassen sie wenn, dann dem Landes- oder Bundesverband. Ohnehin greifen die Ditzinger oft Themenvorschläge des Dachverbands auf. „Gemeinsam sind wir stark“, sagt die 65-Jährige. Der Vorstand des Vereins stellt das Jahresprogramm zusammen, kooperiert dafür durchaus auch mit anderen örtlichen Vereinen. „Wir machen nicht, was uns nicht interessiert“, erklärt Kocher das Auswahlprinzip. Da kann dann schon auch mal ein Trommelworkshop im Programm stehen oder ein Selbstverteidigungskurs.

142 Mitglieder zählt der Verein heute. „Es kommt ganz selten vor, dass jemand austritt“, sagt Kocher. Die Verbundenheit mit dem Verein ist groß. Wer nicht mehr aktiv sein kann, wird von anderen Landfrauen besucht. Die Gemeinschaft sei wichtig, sagt die Vorsitzende, die über ihre Mutter zu den Landfrauen kam. Seit 1982 wirkt sie in Ditzingen.

So sehr sich das Frauenbild gewandelt hat im Lauf der Jahrzehnte, so traditionell sind die Landfrauen in einem Punkt geblieben: Männer dürfen in ihren Verein allenfalls als Fördermitglied eintreten.