Pfarrer Karl-Eugen Fischer und seine Mitstreiter wollen Nägel mit Köpfen machen und einen Förderverein für die Brenzkirche gründen. Gründungstermin ist am Dienstag, 9. Juli, um 19 Uhr in der Brenzkirche.

Stuttgart - Karl-Eugen Fischer ist seit acht Jahren Pfarrer an der evangelischen Nord-Gemeinde. Der 59-Jährige liebt seinen Beruf und auch seine Gemeinde. Mit seiner Kirche, der Brenzkirche am Killesberg, konnte er sich jedoch in der langen Zeit nicht anfreunden. Und bleibt die Kirche wie sie ist, wird das auch nicht passieren. Viele Gemeindemitglieder sind mit dem Bau genau so unglücklich wie ihr Pfarrer. Denn aus dem ursprünglich architektonisch richtungsweisenden Kirchenbau ist im Nazi-Regime „eine hässliche Dorfkirche“ geworden, sagt Fischer. Er und die Anwohner wollen, dass die Brenzkirche wieder wird, was sie war: ein architektonisches Juwel ohne die Spuren des Nationalsozialismus. Ein entsprechender Vorschlag hat auch im Bürgerhaushalt 181 Befürworter gefunden.

 

Als die Brenzkirche 1933 erbaut wurde, gab es die benachbarte Weißenhofsiedlung bereits. In seinen Entwürfen für das Gotteshaus orientierte sich der Architekt Alfred Daiber an den Ideen seiner Bauhaus-Kollegen: Die Kirche bekam ein Flachdach. Darauf wurde ein Dachreiter mit offenem Glockenturm gesetzt. Die gerundeten Ecken und die asymmetrischen Fensterfronten setzten neue dynamische Akzente. Und genau diese Elemente mussten auf Verlangen der Nationalsozialisten wieder verschwinden. 1939 verpasste der der Architekt Rudolf Lempp der Kirche ein Satteldach. Aus dem Dachreiter wurde ein Turm, die Rundungen wurden begradigt und die Fenster symmetrisch und mit Sprossen versehen. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche zerstört und von Lempp 1947 mit weiteren Veränderungen im Kirchenraum und an den Fenstern im Sinne der Nationalsozialisten wieder aufgebaut. In den folgenden 36 Jahren wurde an der Brenzkirche noch einiges umgestaltet – bis sie 1983 unter Denkmalschutz gestellt wurde.

Kirchengemeinde will die Nazi-Architektur los werden

„Der einst weltoffene, internationalistische Kirchenbau ist im deutschtümelnden Kitsch gefangen“, sagt Pfarrer Fischer. Um die Kirche von ihrer Nazi-Vergangenheit zu befreien, wollen er und seine Mitstreiter jetzt Nägel mit Köpfen machen: Am Dienstag, 9. Juli, um 19 Uhr soll im Dora-Veit-Saal in der Brenzkirche der Förderverein Brenzkirche gegründet werden. Der Verein will sich dafür einsetzen, dass die Kirche ihre ursprüngliche bauhistorische Bedeutung zurück gewinnt und wieder zu dem zukunftsweisenden Bau wird, der er einmal war. Außerdem sollen die Innenräume so gestaltet werden, dass sie der heutigen Nutzung entsprechen. Die Baugeschichte der Kirche soll dokumentiert werden. Und der Förderverein will die Neugestaltung des Kirchenvorplatzes im Zusammenhang mit der Neubebauung des Gebiets Rote Wand begleiten.

Darin, dass die Kirche sowieso grundlegend saniert werden muss, sieht Fischer die Chance, die Nazi-Architektur endlich wieder los zu werden. Fischer: „Die Nord-Gemeinde ist eine offene Gemeinde. Zu ihr passt die abweisende Architektur der Kirche nicht.“ Rückbau bedeutet für Fischer allerdings nicht, dass der Originalzustand der Kirche eins zu eins wieder hergestellt werden soll. Ihm geht es darum, dass unter Rückgriff auf die ursprüngliche Form etwas Neues entsteht. Das Jubiläum 100 Jahre Bauhaus und die für 2027 geplante Internationale Baustellung in Stuttgart, in deren Wettbewerbsgebiet auch die Brenzkirche liegt, müssten nach Ansicht Fischers neben der notwendigen Sanierung Grund genug sein, der Kirche Wiedergutmachung zukommen zu lassen. Und Pfarrer Karl-Eugen Fischer, der seiner Nord-Gemeinde bis zum Ruhestand geistlichen Beistand leisten will, könnte sich dann mit der umgebauten Brenzkirche kurz vor seiner Rente doch noch anfreunden. Denn die acht Jahre, die ihm bis dahin bleiben, sind Zeit genug für einen Umbau.