Der Fall hat in ganz Deutschland für Aufsehen gesorgt. Seit 2006 saß Gustl Mollath in der Psychiatrie, weil er als gemeingefährlich galt. Jetzt ordnet das OLG Nürnberg seine Freilassung an.

Nürnberg - Gustl Mollath ist frei: Sieben Jahre nach seiner Zwangseinweisung ist der 56-Jährige am Dienstag überraschend aus der Psychiatrie entlassen worden, das Strafverfahren gegen ihn wird wieder aufgerollt. Das hat das Oberlandesgericht Nürnberg angeordnet.

 

In Begleitung von Freunden verließ Mollath am Abend die Psychiatrische Klinik in Bayreuth - in den Armen lediglich einen Topf mit Pflanzen. Auf Fragen von Journalisten sagte er: „Es war heute eigentlich nur Stress. Ich habe noch nicht viel Zeit gehabt nachzudenken.“ Jetzt müsse er zunächst Wichtiges regeln: „Ich habe nicht einmal einen Ausweis.“

Mollath, dessen Nürnberger Haus nach seiner Einweisung zwangsversteigert worden war, soll zunächst bei Freunden unterkommen. Wo ihn seine Freunde hinbringen wollten, wisse er selbst nicht, sagte er. Er hoffe nun, dass es ein „ordentliches Wiederaufnahmeverfahren“ gebe. Die Pflanzen, die er bei sich trug, habe er aus Kernen gezogen - es seien Dattel- und Orangenbäumchen in dem Topf. Er habe sich gefreut, dass ihm das im Krankenhaus gelungen sei, sagte Mollath.

Mollath war 2006 als gemeingefährlich in die Psychiatrie eingewiesen worden. Unter anderem soll er seine Frau misshandelt und Autoreifen zerstochen haben.

Zweifel am Attest der Arztpraxis

Die Nürnberger Richter begründeten ihre Entscheidung, den 56-Jährigen freizulassen, nun aber mit Zweifeln an dem Attest der Arztpraxis, die damals die Verletzungen seiner Ehefrau dokumentiert hatte. Nach Angaben des Gerichts war Mollaths Frau im Juni 2002 gar nicht von ihrer Hausärztin selbst, sondern von deren Sohn untersucht worden, der als Weiterbildungsassistent in der Praxis beschäftigt war.

Der Maschinenbauer sieht sich seit langem als Opfer eines Komplotts seiner früheren Ehefrau und der Justiz, weil er auf Schwarzgeldgeschäfte in Millionenhöhe hingewiesen habe. Mollath hatte seine Frau, eine Vermögensberaterin bei einer Bank, und andere 2003 wegen unsauberer Geschäfte angezeigt. Die Vorwürfe wurden nicht weiterverfolgt, erwiesen sich später aber teilweise als zutreffend.

Mit der Entscheidung hob der 1. Strafsenat des OLG Nürnberg ein Urteil des Landgerichts Regensburg auf. Dieses hatte erst am 24. Juli 2013 die Wiederaufnahmeanträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung als unzulässig verworfen. Gleichzeitig ordnete der Nürnberger OLG-Senat eine neue Hauptverhandlung an und verwies das Verfahren an eine andere Kammer des Landgerichts Regensburg.

Die Fall Mollath hatte über Bayern hinaus für heftige Empörung gesorgt, Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) war zeitweise politisch schwer unter Druck geraten. Ende 2012 hatte sie dann selbst einen Wiederaufnahmeantrag wegen möglicher Befangenheit eines Richters angeordnet.

"Damit ist in Bayern wieder der Rechtsstaat hergestellt"

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung des Gerichts. Jetzt müsse ein faires und objektives Wiederaufnahmeverfahren gewährleistet werden, sagte er.

Merk erklärte: „Die Justiz hat nun Gelegenheit, in einem weiteren öffentlichen Verfahren zu klären, ob Herr Mollath zu recht untergebracht ist oder nicht - und damit auch die Zweifel, die viele Menschen an dieser Entscheidung haben.“

Der bayerische SPD-Spitzenkandidat Christian Ude betonte: „Damit wird ein langjähriger bayerischer Justizalptraum beendet, der Ansehen der Justiz beschädigt und viel Unbehagen und Misstrauen aufgetürmt hatte.“ Mollath-Anwalt Gerhard Strate sagte der dpa: „Damit ist in Bayern wieder der Rechtsstaat hergestellt.“

Auf dem umstrittenen Attest hatte im Wesentlichen der Vorwurf gefußt, Mollath habe seine damals bei der HypoVereinsbank beschäftigte Ehefrau im Streit um angebliche Schwarzgeldgeschäft geprügelt. Das OLG Nürnberg stuft das Attest strafprozessrechtlich als „unechte Urkunde“ ein und wertete dies als zwingenden Grund für ein Wiederaufnahmeverfahren.