Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) und die Chefin des Landesverfassungsschutzes, Beate Bube, warnen vor immer mehr Bedrohungen: von Rechts- und Linksextremisten, „Reichsbürgern“ und ausländischen Geheimdiensten – vor allem aber von Islamisten.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Extremisten bedrohen immer mehr unsere freiheitliche Grundordnung“, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU). „Der Verfassungsschutz ist immer stärker gefordert.“ Gefahr drohe von Islamisten ebenso wie von Rechts- und Linksextremisten, von „Reichsbürgern“ und ausländischen Geheimdiensten, führte er bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichts 2017 gemeinsam mit der Präsidentin des Landesamtes, Beate Bube, aus. Der Verfassungsschutz sei „auf keinem Auge blind“, sondern schaue gleichermaßen auf alle relevanten Bereiche, betonte Strobl. „Wir sind in Baden-Württemberg gut aufgestellt.“ Ein Überblick.

 

Mehr islamistischer Terrorismus

Im islamistischen Terrorismus sieht Strobl „nach wie vor die größte Bedrohung für die innere Sicherheit in Baden-Württemberg“. Derzeit erkennt das Landesamt rund 3600 Islamisten, die in Baden-Württemberg aktiv sind – darunter etwa 750 Salafisten von 20 Objekten und Vereinigungen. 2015 waren es noch 3360 Islamisten und 600 Salafisten. Der Trend ist mittelfristig ansteigend, was mit verstärkten islamistischen Aktivitäten und vermehrten Hinweisen aus der Bevölkerung zu tun hat.

Die Szene versuche vor allem im Internet ihre Ideologie zu verbreiten und das salafistische Netzwerk zu stärken, so der Minister. Neben den dschihadistischen Salafisten behalte man auch diejenigen Organisationen im Blick, die dem politischen Islamismus zuzurechnen seien. Der Drang zur Ausreise in die Kriegsregion Nahost wurde erheblich gebremst. Ende 2017 lagen den Sicherheitsbehörden Hinweise zu mindestens 960 Personen aus dem Bundesgebiet vor, die im Einsatz für den „Islamischen Staat“ nach Syrien oder in den Irak aufgebrochen sind. Aus Baden-Württemberg wurden etwa 50 Personen identifiziert. Ein Dutzend von ihnen ist bei Kampfhandlungen oder Selbstmordattentaten ums Leben gekommen. Die Rückkehrer aus dem IS-Gebiet seien ein „erhebliches Sicherheitsrisiko“, mahnte der CDU-Landeschef.

Weniger Rechtsextremismus

Rückläufig ist das Gefahrenpotenzial beim Rechtsextremismus – die seit 1993 erkennbare Tendenz habe sich auch 2017 fortgesetzt. Landesweit sind demnach noch rund 1630 Rechtsextremisten zu verzeichnen – von ihnen gelten etwa 770 Personen als gewaltorientiert. 2015 waren es noch 810 gewaltorientierte Rechte. Die Zahl rechtsextremistischer Straftaten ist von 1484 im Jahr 2015 weiter gesunken – auf 1318 im vorigen Jahr. Die darunter verzeichneten Gewalttaten sanken von 71 (2015) auf 39. Verfassungsschutzpräsidentin Bube sieht aber keinen Anlass zur Entwarnung: „Im langjährigen Vergleich ist die Zahl der Gewalttaten weiterhin relativ hoch.“

Mehr „Reichsbürger“

Enorm zugenommen hat die Zahl der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter. 2500 von ihnen waren Ende 2017 den Sicherheitsbehörden im Land bekannt – bei bundesweit 16 500. Ein Jahr zuvor waren 1000 weniger im Südwesten. Strobl rechnet mit einem weiteren Anstieg, da die Erfassung des Milieus voranschreite.

Die „Reichsbürger“-Szene zeichnet sich durch einen starken Hang zu Schusswaffen aus. Bisher wurden aber erst 50 Genehmigungen zum Waffenbesitz eingezogen. Strobl will den Vorwurf der Nachlässigkeit nicht auf sich sitzen lassen. Schon im Januar 2017 habe er die Behörden gebeten, „ein Auge auf den Waffenbesitz zu haben“. Die Waffen hätten in den Händen von Menschen, die die Bundesrepublik Deutschland und die freiheitliche Rechtsordnung ablehnten „nichts zu suchen“ – denn diese seien im Sinne der Waffengesetzgebung nicht zuverlässig. Doch müssten die Landratsämter und städtischen Ämter rechtlich korrekt arbeiten, weil sich Betroffene vor Gericht gegen den Verwaltungsakt wehren könnten. „Ich will die Behörden aber ausdrücklich ermutigen, diesen Weg weiter zu beschreiten und konsequent waffenrechtliche Erlaubnisse zu entziehen.“

Mehr Linksextremisten

Die Zahl der Linksextremisten wächst weiter: von 2630 Personen im Jahr 2016 auf 2780. Auch die gewaltorientierten Angehörigen der Szene verstärkten sich von 820 auf 860. Rückläufig sind die linksextremistischen Straf- und Gewalttaten. Strobl begründet dies mit dem G20-Gipfel am 7./8. Juli 2017 in Hamburg, auf den die Linksextremisten der Republik fixiert gewesen seien. „Es gab im Vorjahr keine entsprechenden Großereignisse für die Szene im Land“.

Hamburg zeige auch, dass die Gewaltbereitschaft der Krawallmacher bei Auseinandersetzungen mit der Polizei deutlich gestiegen sei. Beim G20-Gipfel mit insgesamt 8000 gewaltbereiten Teilnehmern aus dem In- und Ausland war es zu schweren Ausschreitungen gekommen – unter ihnen 500 Linksextreme aus dem Südwesten. Unter den gut 400 vorläufigen Festnahmen befanden sich 20 aus dem Land. Insgesamt 490 Polizeibeamte wurden verletzt – 73 aus Baden-Württemberg. „Linksextremisten sind eine ernst zu nehmende Gefahr für unsere Sicherheit“, sagte er.

Dass der Rechtsstaat konsequent vorgehe, habe das Verbot der Vereinigung ‚linksunten.indymedia‘ durch den Bundesinnenminister im August gezeigt. Bis dahin hätte die Vereinigung „die wichtigste Internetplattform des gewaltorientierten Linksextremismus in Deutschland betrieben“, so Strobl. In Zusammenhang damit wurden im Südwesten in fünf Objekten Durchsuchungen vorgenommen – etwa im „Kulturtreff in Selbstverwaltung“ in Freiburg, einem Treff der Vereinigung. Neben Laptops wurden Butterflymesser, Schlagwerkzeuge und Zwillen beschlagnahmt.