Sindelfingen soll an das Unrecht erinnern. Darin herrscht Einigkeit, nicht aber über die Wortwahl dazu.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Sindelfingen - Im Grunde sind alle Beteiligten einer Meinung, aber mit der Wortwahl für eine weitere Gedenktafel ist es wie verhext. Der Linke Richard Pitterle wünscht sich, dass das Wort Hexen grundsätzlich in Anführungszeichen gesetzt wird – im Sinne von Entschuldigungszeichen für das falsche Wort. „Schließlich waren die verfolgten Frauen keine Hexen“, sagt Pitterle. Gegen die Zeichen spricht allerdings, dass die Hexenverfolgung selbst Historikern ein feststehender Begriff ist und der Begriff „Hexen“verfolgung auf einer Gedenktafel arg erklärungsbedürftig wäre.

 

Um den Text gab es ohnehin schon ein längeres Hickhack. Pitterle und der Kulturamtsleiter Horst Zecha haben sich rege Textvorschläge und Gegenvorschläge geschickt. In der jüngsten Sitzung des Kulturausschusses witzelte der Bürgermeister Christian Gangl über „die abschließende Redaktionskonferenz“. Im Grundsatz nehmen sämtliche Kommunalpolitiker das Thema aber sehr ernst. Weshalb schon vor dem Beschluss feststand, dass künftig eine Gedenktafel vor dem Alten Rathaus an die Hexenverfolgung erinnern wird. Der Christdemokrat Kurt-Heinz Kuhbier hält dies für angebracht, weil „wir bis heute erleben, dass Menschen ohne halbwegs vertretbaren Prozess verhaftet und ermordet werden“ – wenn auch nicht in Deutschland.

„Damit haben sich schon die Nazis gerechtfertigt“

Strittig war am Ende noch, ob auf der Tafel darauf hingewiesen werden soll, dass die Frauen – und im Einzelfall Männer – nach dem damaligen Gesetz rechtmäßig verhaftet und hingerichtet wurden. „Damit haben sich schon die Nazis gerechtfertigt“, sagte der Freidemokrat Andreas Knapp, „der Satz stört mich tierisch“. Ihn zu streichen würde aber erfahrungsgemäß zu Unverständnis beim Publikum führen. „Heute ist das unverständlich, dass die Menschen damals tatsächlich geglaubt haben, dass auf Besen geritten wurde“, sagte Zecha. Solche Erfahrungen gewinnt das Kulturamt bei Führungen.

Wohl kaum eine Stadt hat die Geschichte der örtlichen Hexenverfolgung so gewissenhaft aufbereitet wie Sindelfingen. In vielen Fällen sind selbst die Lebensläufe derjenigen bekannt, die vor Jahrhunderten unschuldig verurteilt worden sind. An ihr Schicksal erinnern schon heute Stelen in der Innenstadt. Die eindrücklichste dürfte die an der Stadtmauer sein. Von dieser stürzte sich im Jahr 1615 Barbara Ada hinab, um weiterer Folter zu entgehen – vergeblich, sie überlebte und wurde nach weiteren Qualen verbrannt.

20 weitere Frauen wurden zwischen 1562 und 1684 in Sindelfingen ebenfalls hingerichtet, 13 weitere wegen Hexerei angeklagt, aber nicht getötet. Diese Zahlen scheinen zwar gering, damals hatte Sindelfingen aber lediglich 1400 Einwohner.