Erst in Bayern und danach in Baden-Württemberg haben Volksbegehren unter dem Titel Rettet die Bienen den Artenschutz politisch vorangebracht. Aber wer ist darin nun besser? Ein Ländervergleich.

Stuttgart - Rund 1,7 Millionen Bürger hatten in Bayern für das Volksbegehren Rettet die Bienen gestimmt. Der Münchner Landtag hat daraufhin in einem Versöhnungsgesetz ein Maßnahmenpaket für mehr Artenschutz durchgesetzt, das von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) als „Vorbild“ und „Pionierleistung“ für Deutschland gelobt worden ist. Die Regierung in Stuttgart hat als Reaktion auf das hiesige Volksbegehren – das bis Ende Oktober 6444 Unterschriften gesammelt hat - ein Eckpunktepapier für mehr Artenschutz vorgelegt. Dieses Papier, das derzeit noch von der Landesregierung und den „Bienen-Rettern“ in einem „Dialogformat“ diskutiert wird, sowie das Versöhnungsgesetz sind die Vergleichsbasis für die Frage: Wer hat die Nase vorne beim Artenschutz?

 

Verbot in Schutzgebieten

Dies war einer der strittigsten Punkte. Die Bayern haben jetzt das Verbot von Pestiziden in sämtlichen Schutzgebieten eingeführt, aber mit dem entscheidenden Zusatz „außerhalb von intensiv genutzten land- und fischereiwirtschaftlichen Flächen“. Dieses allgemeine Verbot steht so im Naturschutzgesetz von Baden-Württemberg aber schon seit 1975 drin. In Baden-Württemberg soll gemäß dem Eckpunktepapier künftig ein Pestizidverbot in den Naturschutzgebieten (nur 2,5 Prozent der Landesfläche) auch auf den Landwirtschaftsflächen gelten, in den großflächigen Landschafts- oder Vogelschutzgebieten ist der Einsatz der Mittel aber weiterhin möglich. „Vom Pestizidverbot in den Naturschutzgebieten werden landesweit 2500 Hektar Ackerbaufläche, 120 Hektar Sonderkulturen und 20.000 Hektar Grünland betroffen sein“, sagt Konrad Rühl, Abteilungsleiter Landwirtschaft im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Stuttgart. Härtefallregelungen sollen aber möglich sein. Das Volksbegehren habe ursprünglich für 440.000 Hektar Schutzgebiete das Verbot gewollt. Die Bauernverbände waren dagegen Sturm gelaufen.

In allen Schutzgebieten will die Landesregierung auf einen Integrierten Pflanzenschutz setzen, einen Katalog an Maßnahmen, um chemisch-synthetische Mittel zu reduzieren. Was die Naturschutzgebiete anbelangt ist also eine gewisse Verschärfung der Rechtslage im Südwesten zu sehen, die die Bayern in dieser Art nicht haben. Die Münchner Regierung hat auf der anderen Seite aber ein Pestizidverbot auf Grünland – wo allerdings selten Pestizide eingesetzt werden – sowie auf Staatsflächen im Programm.

Weniger Pestizide

Die Bayern wollen laut einem Landtagsbeschluss eine Reduzierung „des Einsatzes“ chemischer Pflanzenschutzmittel um die Hälfte bis 2028. Die Pläne der Landesregierung in Stuttgart sind detaillierter: bis 2030 soll der Einsatz der chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel „in der Menge“ landesweit um 40 bis 50 Prozent reduziert werden. Ein ehrgeiziges Ziel, aber wie in München soll dies durch praktikable Maßnahmen durchgesetzt werden: also keine betrieblichen Verbote, sondern mehr Forschung, Förderung und Beratung. Wie wird die Reduktion überprüft? Wie soll ein Monitoring aussehen? Das soll nun gemeinsam mit den Verbänden geklärt werden.

Gewässerrandstreifen

Auf Randstreifen von Flüssen, Bächen und Seen sind nun auch in Bayern der Einsatz von Dünge—und Pflanzenschutzmitteln verboten. „Da haben die Bayern nachgezogen“, sagt Konrad Rühl. Das gäbe es in Baden-Württemberg bereits.

Mehr Bio-Bauern

„Da sind wir einen Tick ambitionierter als die Bayern“, sagt Rühl. Baden-Württemberg hat jetzt schon einen 14-prozentigen Flächenanteil des Ökolandbaus, er soll bis 2030 auf 30 bis 40 Prozent erhöht werden, ähnlich wie in Bayern mit Bildung, Beratung, Förderung, Forschung und Vermarktung. Der Freistaat will seinen Öko-Flächenanteil 2025 auf 20 Prozent und bis 2030 auf 30 Prozent anheben. Beide Länder betonen, dass der Ausbau auch an der Marktentwicklung orientiert sein müsse, damit ein „ruinöser Preiskampf“ bei den Öko-Erzeugnissen vermieden wird. Er könnte Bio-Bauern die Existenz kosten.

Biotop-Verbund

Bis 2030 will Bayern einen Offenland-Biotopverbund auf 15 Prozent der Fläche schaffen, mit dem sich grüne Inseln verbinden lassen. „Da sind wir weiter als die Bayern“, sagt Karl-Heinz Lieber, Abteilungsleiter für Naturschutz im Umweltministerium in Stuttgart. Der Biotopverbund sei bereits im Naturschutzgesetz verankert. Es gebe ein landesweites Konzept, das mit den Städten und Gemeinden wegen der Umsetzung „kommuniziert“ werde. Lieber weist auf einen anderen Punkt hin: Söder hat 50 neue Stellen für die Umwelt- und Naturschutzbehörden und 50 weitere Stellen für Wildlebensraumberater im Agrarressort angekündigt. In Baden-Württemberg seien in der Umweltverwaltung bereits etliche neue Planstellen geschaffen worden, sagt Lieber. Zudem wurde der Naturschutzhaushalt in Stuttgart seit 2011 beständig im Rahmen eines jährlichen Mittelaufwuchses vergrößert, von einst 30 Millionen Euro soll er noch in dieser Legislaturperiode auf 90 Millionen wachsen: „Personell und finanziell sind wir beim Naturschutz damit aktuell besser aufgestellt“, meint Lieber.

Streuobstwiesen

Bayern will bestimmte Streuobstwiesen mit mehr als 2500 Quadratmetern als Biotop ausweisen, aber eine reguläre Bewirtschaftung zulassen – in Ausnahmen sind Rodungen genehmigungsfähig. Baden-Württemberg will Streuobstwiesen nicht unter Schutz stellen, ihre Beseitigung aber nur genehmigen, wenn ein ökologischer Ausgleich geschaffen wird. Stuttgart will die „Stücklesbesitzer“ bei der Baumpflege unterstützen und tut dies bereits.

Fazit

In einigen Punkten liegt Baden-Württemberg beim Natur- und Artenschutz leicht vorne, was bei einem Faktencheck durch die Pressestelle des bayerischen Agrarministeriums unwidersprochen bleibt. Nicht immer lassen sich die Instrumente aber vergleichen. So will Bayern an den 47 Landwirtschafts- und Forstämtern eine Wildlebensraumberatung installieren. In Baden-Württemberg gibt es mit der Biodiversitätsberatung ähnliches. Noch läuft in Stuttgart ein Dialog mit Bauern- und Umweltverbänden wegen der Umsetzung der Eckpunkte. Am 18. Dezember werden der Umwelt- und der Landwirtschaftsminister sich damit befassen.