Nach 51 Jahren des Krieges mit 220.000 Toten wollen die Regierung und die Farc-Guerilleros in Kolumbien den Frieden. In Havanna kam es zum historischen Handschlag der Gegner.

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Havanna - Die kolumbianischen Konfliktparteien haben den Durchbruch zu einem Friedensvertrag erzielt und sich in der Frage der strafrechtlichen Verantwortung für die Farc-Rebellen geeinigt. Zugleich verkündeten Kolumbiens Staatschef Juan Manuel Santos, Rebellen-Chef „Timochenko“ und Kubas Präsident Raúl Castro am Mittwoch in Havanna den Fahrplan zur endgültigen Unterzeichnung des Abkommens. Dies soll spätestens am 23. März 2016 unterschrieben sein und damit den ältesten bewaffneten Konflikt auf dem amerikanischen Kontinent beenden.

 

Erstmals nach mehr als 50 Jahren Bürgerkrieg scheint das Ende des Konflikts zum Greifen nahe. Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) hatten sich als Bauernguerilla gegründet und 1964 zu den Waffen gegriffen, um die ungerechte Landverteilung mit Gewalt zu ändern und eine Agrarreform durchzusetzen. Die Auseinandersetzungen, an denen auch rechtsgerichtete Paramilitärs beteiligt sind, haben mehr als 220 000 Menschen das Leben gekostet. Bis zu sieben Millionen Kolumbianer hat der Krieg zu Vertriebenen gemacht. Auch wenn sich Teile der Farc inzwischen dem Drogenhandel verschrieben haben, verfolgen die Linksrebellen noch immer eine politische Agenda.

Die Rebellen sehen sich als Opfer, nicht als Täter

Die Frage der strafrechtlichen Verantwortung für die Guerilleros war das größte Hindernis auf dem Weg zum Frieden. Die Farc haben während der drei Jahre dauernden Verhandlungen stets darauf bestanden, Opfer und nicht Täter zu sein. Die Rebellenführung und die Verhandlungsdelegation in Havanna beriefen sich auf ein im Völkerrecht verankertes Recht zur Rebellion und sehen sich als unschuldig.

Das erzielte Abkommen zur sogenannten Übergangsjustiz sieht nun vor, dass für politische Straftaten eine weitreichende Amnestie gewährt wird. Für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schwere Kriegsverbrechen wird es aber keinen Straferlass geben. Geiselnahmen sollen demnach ebenso geahndet werden wie Folter, Hinrichtungen sowie das Verschwindenlassen von Menschen. Wer seine Beteiligung an den Verbrechen einräumt, wird mit einer Strafe zwischen fünf und acht Jahren belegt. Mit diesem geringen Strafmaß kam die Regierung der Farc-Führung entgegen. Für die Verfahren werden im Rahmen der „Sonderjurisdiktion für den Frieden“ eigene Gerichte geschaffen, die mit Richtern aus Kolumbien und dem Ausland besetzt werden. Vorbedingung für die Schaffung der Übergangsjustiz ist, dass die älteste Guerilla Lateinamerikas spätestens 60 Tage nach der Unterzeichnung des Abkommens die Waffen niederlegt. Die Kolumbianern sollen über den Vertrag in einem Referendum abstimmen.

Menschenrechtler kritisieren das Amnestie-Versprechen

Die Tragweite der Übereinkunft erkennt man daran, dass Präsident Santos und Farc-Chef Timoleón Jiménez alias „Timochenko“ eigens nach Kuba gereist waren, um den Rahmen für die Übergangsjustiz zu verkünden. „Wir sind Kontrahenten und stehen auf verschiedenen Seiten, aber heute gehen wir in dieselbe Richtung, in Richtung Frieden“, sagte Santos. „Von heute an spätestens in sechs Monaten werden wir den ältesten Konflikt in Kolumbien und auf dem Kontinents beenden.“ Rebellenchef „Timochenko“ betonte sogar, eine noch frühere Unterzeichnung sei möglich. „Dieser Sieg darf dem kolumbianischen Volk nicht mehr genommen werden.“

Die politische Analystin María Jimena Duzán bezeichnete den Mittwoch als „wichtigsten Tag in der Geschichte Kolumbiens“. Die Farc-Rebellen hätten sich mehr bewegt, „als man es jemals für möglich gehalten hätte“, sagte Duzán in Havanna. Kritisch äußerte sich der Menschenrechtsverband „Human Rights Watch“ (HRW). Das Abkommen sei ein Fortschritt, aber es ermögliche „dass die Hauptverantwortlichen für die schlimmsten Verbrechen davonkommen, ohne einen Tag im Gefängnis verbracht zu haben,“ sagte HRW-Amerikadirektor José Miguel Vivanco.

Das Abkommen sieht ferner die Schaffung einer Wahrheitskommission sowie das Verbot der Auslieferung der Rebellen vor. Darauf hatte die Farc bestanden, um einer Überstellung an die US-Justiz zu entgehen. Über eine Landreform, politische Beteiligung und das Thema Drogenhandel hatte man sich bereits früher geeinigt. Ein offener Punkt bleibt noch die Implementierung und Überprüfung des Abkommens. Er gilt als vergleichsweise unkompliziert.